1771 - Im Taumel der Nacht
Bitte heraus. »Ich hätte gern mal das Zimmer gesehen, in dem die Cavallo gewohnt hat. Oder hast du etwas dagegen?«
»Nein, auf keinen Fall. Du kannst dich gern umschauen.« Jane stand auf und ging zu ihrer Besucherin. Sie deutete auf eine Tür in Reichweite.
»Dahinter ist das Zimmer.« Jane öffnete die Tür. Sie überließ Serena den Vortritt.
Sie machte schon einen etwas scheuen Eindruck, als sie einen Fuß über die Schwelle setzte und wenig später stehen blieb, um den Kopf zu schütteln.
»Was ist los?«
»Dieses Zimmer. Waren die Wände schon immer so schwarz?«
»Nein, nicht von Beginn an. Die hat sich unsere Freundin so angemalt. Sie wollte sich wohl fühlen.«
»Aber das hatte sie doch nicht nötig.«
»Ich weiß.« Jane zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich da nicht reingehängt. So lange sie mich in Ruhe gelassen hat, war mir das alles egal.«
Serena ging zum Fenster. Dessen Scheibe war nicht geschwärzt worden. Man konnte hinaus auf die Straße schauen, wo die Bäume auf beiden Seiten wuchsen und kleine Inseln auf den Gehsteigen bildeten. Dahinter bauten sich die Fassaden der Häuser auf, die allesamt keine Neubauten waren, wobei jedes Haus seine eigene Geschichte hatte.
Die Luft war nicht eben die beste, die man sich im Raum vorstellen konnte. Es war länger nicht mehr gelüftet worden, und das änderte Jane Collins jetzt, indem sie das Fenster öffnete, um die Frische des Abends in das Zimmer zu lassen.
Sie schaute auch nach draußen. Allmählich versickerten die Konturen. Die Bäume trugen zwar Blätter, die aber waren noch klein, erst in den nächsten Tagen würden sie wachsen.
Autos parkten auf den Streifen zwischen den Bäumen. Hinter den Fenstern der Häuser auf der gegenüberliegenden Seite schimmerten Lichter. Menschen waren nur wenige unterwegs und auch der Verkehr hielt sich in Grenzen. Nur ab und zu rollte ein Auto vorbei.
Serena hatte sich vorgebeugt und sprach davon, dass sie sich in einer ruhigen Gegend befanden.
»Das stimmt.«
»Ich sehe hier nur einen, der unterwegs ist. Und der bewegt sich auch so komisch.«
»Ein Mann?«
»Sieht so aus...«
Jane wollte den Teufel nicht an die Wand malen, aber sie spürte in diesen Augenblicken, dass etwas auf sie zukam, und deshalb war sie schnell bei ihrer neuen Verbündeten und schaute ebenfalls aus dem Fenster.
»Wo hast du den Mann denn gesehen?«
»Auf dieser Seite hier.«
»Und weiter?«
»Er bewegte sich so komisch. Ich hatte den Eindruck, dass er immer wieder Deckung suchte.«
»Komisch.«
»Meine ich auch.«
Jane beugte sich weiter vor, sah aber nichts und wollte wissen, in welche Richtung er gelaufen war.
»In – in – unsere.«
Jane starrte sie für einen Moment an. »Du meinst, er lief auf mein Haus hier zu?«
»Zumindest bewegte er sich auf dieser Seite. Ich weiß ja auch nicht, wer er ist. Ob man ihn als harmlos einstufen kann oder nicht. Jedenfalls sieht man ihn nicht.«
»Das kann man ändern.«
»Wie meinst du das?«
»Indem ich nach unten gehe und mich mal auf der Straße umsehe.«
Serena starrte sie an. »Meinst du wirklich?«
»Warum nicht? Wenn ich es nicht tue, werde ich mir immer Vorwürfe machen. Wir müssen ja davon ausgehen, dass sich die Cavallo Verbündete gesucht hat. Da kann ich mir schon vorstellen, dass sie uns einen Vampir schickt.«
»Das ist möglich. Aber du vergisst noch Matthias.«
»Nein, das habe ich nicht. Den habe ich noch immer in meinem Hinterkopf.«
»Okay, dann geh.«
»Bleibst du hier oben?«
»Erst mal. Der Überblick ist nicht schlecht. Ich kann nur nicht den direkten Bereich vor der Haustür einsehen. Aber das ist wohl nicht tragisch.«
»Stimmt, den kontrolliere ich.« Nach diesem Satz verließ Jane das dunkle Zimmer.
Auf dem Weg nach unten dachte sie über Serena nach, und sie war froh, dass die Frau den Weg zu ihr gefunden hatte. So fühlte sie sich sicherer, denn sie wusste, dass Serena nicht zu unterschätzen war. Das hatte ihr John Sinclair auch erzählt. Aber sie wusste auch, dass sie sehr leicht blutete. Schon bei geringem Druck trat es aus ihrem Körper. Gefragt hatte Jane sie bewusst nicht. Wenn sie etwas zu sagen hatte, würde das schon früh genug geschehen.
Alles war bisher recht gut gelaufen und Jane hoffte, dass es so bleiben würde. Nachdem sie die Treppe hinter sich gelassen hatte, ging sie auf die Haustür zu – und blieb erst mal stehen, anstatt sie zu öffnen.
Plötzlich klopfte ihr Herz schneller. Den Grund kannte sie nicht, denn
Weitere Kostenlose Bücher