1773 - Das andere Jenseits
denn ich glaube fest daran, dass auch wir hier sterben müssen.« In der Stimme hatte eine tiefe Resignation gelegen. Sie konnte einfach nicht mehr.
Und Maxine Wells war nicht in der Lage, ihr Trost zuzusprechen, weil sie selbst nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Sie musste passen, und das war schlimm für sie. Wenn sie ehrlich gegenüber sich selbst war, dann musste sie zugeben, dass sie und Krista sich auf der Verliererstraße befanden.
Krista ließ Maxine los. Sie war mit dem mörderischen Engel noch nicht fertig und schrie ihn an.
»Warum hast du das getan? Warum? Er hat dir nichts, aber auch gar nichts getan!«
Jomael drückte seinen Kopf zurück. Sein Gesicht nahm einen widerlich hochmütigen Ausdruck an. Der zeigte an, dass nur er etwas war, die anderen Personen ein Nichts.
»Ich brauchte ihn nicht mehr. Er war von Beginn an dem Tod geweiht. Er hat alles ins Rollen gebracht. Der tote Engel hätte in den Bergen verrotten können. Durch euch geschah das nicht und deshalb musste er sterben.«
»Ja, ich verstehe«, flüsterte Krista. »Ich verstehe mittlerweile alles. Und was ist mit mir? Ich bin doch auch dabei gewesen. Hast du dir da auch etwas ausgedacht?«
»Klar.«
»Und was?«
»Auch du wirst sterben. Erst du und danach die Frau an deiner Seite. Du wirst dich nicht dagegen wehren können. Das ziehe ich durch.«
Jetzt war es heraus, und Krista Hellsen war nicht mal überrascht. Deshalb drehte sie auch nicht durch, nachdem ihr eigenes Todesurteil gesprochen war.
Das galt auch für Maxine. Sie stieß nur hörbar den Atem aus, ansonsten reagierte sie nicht.
Krista schaute sie an. Sie hoffte, dass diese Frau einen Ausweg wusste, aber da mussten beide passen. Sie waren in dieser Welt nicht zu Hause. Das andere Jenseits gehörte den Personen, die es gnadenlos beherrschten.
Das hier war keine Welt der Engel, in der sich Menschen wohl fühlten, weil sie von der Güte dieser Wesen umgeben waren. Hier regierte der Hass, hier schlug das kalte Grauen voll durch. Diese Bewohner waren nicht mit normalen Engeln zu vergleichen. Sie waren böse und auch menschenfeindlich. Sie waren so etwas wie die Vorhut der Hölle und auf den Teufel fixiert.
Jomael streckte den Arm aus. Er zielte dabei auf die Norwegerin. »Du bist an der Reihe. Komm her!«
»Nein!«
Der Engel lachte. »Du willst mir widersprechen? Willst du das wirklich, verflucht?«
»Ja, das will ich. Ich gehe nicht mit dir. Ich will leben und nicht sterben. Ist das klar?«
»Ja, das ist es. Aber es stört mich nicht.« Jomael lachte, und dieses Lachen übertrug sich auch auf die Zuschauer, denn sie lachten plötzlich mit. Allerdings war es nicht sehr laut. Es hörte sich mehr zischend an.
Jomael war es leid. Man sah es an seinem Gesicht. Dort veränderte sich der Ausdruck. Die Glätte verschwand daraus, und so wurde das Gesicht zu einer Fratze des Triumphs.
Er war mit einem langen Schritt bei ihr. Krista wollte sich wehren, sie riss noch ihre Arme hoch, hörte aber nur ein Lachen und wurde gepackt.
Die Finger erwischten ihren Nacken und krallten sich dort regelrecht fest.
Krista Hellsen drückte den Kopf in den Nacken. Sie stemmte sich gegen den Griff und erfasste mit einem Seitenblick auch Maxine Wells, die auf dem Fleck stand, aber wie sprungbereit wirkte und doch nicht eingriff, weil sie von den anderen Engeln umzingelt worden war. Sie würden sofort eingreifen, sollte sich etwas bei ihr verändern. Zuerst war Krista an der Reihe, danach sie, aber sollte sie wirklich so lange warten und es nicht doch versuchen?
Während sie sich Gedanken darüber machte, wurde sie von der Stimme des Engels unterbrochen, der nun erklärte, was er mit seinem Opfer vorhatte.
»Ich werde dich mit in die Höhe nehmen und an einem bestimmten Punkt anhalten. Dort werde ich dich loslassen. Du wirst fliegen wie ich, nur hast du keine Flügel. Du wirst wie ein Stein zu Boden fallen und dort zerschmettert werden.«
»Nein! Nein, nur das nicht!« Die Antwort hatte Maxine Wells gegeben und nicht die betroffene Krista.
»Halt du dich da raus! Du bist später an der Reihe!« Die Drohung war deutlich genug gesprochen worden und auch von den anderen Engeln verstanden worden, die den Kreis enger zogen. Maxine spürte ihre Nähe. Es war fast so, als wäre sie von den Gestalten berührt worden. Von diesen seltsamen Körpern strahlte etwas ab, das sie nicht fassen konnte. Das hatte nichts Menschliches mehr an sich.
Sie tat nichts. Sie blieb starr stehen und hielt den Kopf
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