1774 - Ranjas Rudel
auf. Die Kiefer schoben sich vor, es war kein Mund mehr zu sehen, dafür bildete sich eine Schnauze, die auch mit anderen Zähnen bestückt war.
Das schwarze Haar war ebenfalls verschwunden. Dafür wuchs ihr so etwas wie eine Kappe aus Fell. Die Hose platzte weg. Stämmige Beine waren ebenfalls schon mit einer dünnen Fellschicht bedeckt, und die Hände gab es auch nicht mehr. Sie waren zu Pranken geworden. Dunkle Nägel schimmerten daran.
Sie war fast perfekt. Es würde nicht mal mehr eine Minute dauern, dann hatte sie das Endstadium ihrer Verwandlung erreicht. Dann war sie eine wahre Führerin der Wölfe.
Ob ich etwas in meiner Umgebung gespürt oder gehört hatte, war mir nicht richtig bewusst, aber es hatte sich etwas verändert. Ich wurde abgelenkt, ging zur Seite und drehte mich um.
»John!«, sagte eine Frauenstimme.
Es war der Moment, an dem ich nicht glauben konnte oder wollte, was ich sah. Vor mir stand eine Frau, mit der ich beim besten Willen nicht gerechnet hatte. Ich kannte sie aus dem Zug. Es war die ältere Lady mit dem Namen Kate Milton. Und jetzt stand sie vor mir. Sie hielt sogar einen krummen Ast in der Hand und sah aus, als wollte sie jeden Augenblick damit zuschlagen.
»Was ist das?«, flüsterte sie.
Ich wusste, wen oder was sie meinte, und gab ihr auch eine Antwort. »Es ist eine Verwandlung, Mrs Milton, eine Metamorphose. Diese Frau wird zu einem Werwolf oder besser gesagt zu einer Werwölfin. Daran kann ich leider nichts mehr ändern.«
»Ist sie denn kein Mensch mehr?«
»Das muss man so sehen.«
»Und wird sie je wieder ein Mensch werden?«
»Davon muss man ausgehen. Sie wird sich aber jetzt verwandeln oder ist schon verwandelt. Vor uns steht jetzt eine perfekte Werwölfin.«
Sie wiederholte das letzte Wort flüsternd. Dabei schüttelte sie sich und hob den rechten Arm. In der Hand hielt sie noch immer den Ast, den sie sich als Waffe ausgesucht hatte. Dabei sagte sie zu mir: »Ich habe ihn mir geholt, weil ich ihn als Waffe benutzen wollte. Ich hatte vor, damit auf diese Ranja einzuprügeln, nachdem ich ihn geworfen hatte.«
»Danke, dass Sie sich so für mich einsetzen wollten, aber das ist nicht mehr nötig.«
»Was haben Sie denn jetzt vor?«
»Ich werde mich um sie kümmern, denn sie ist inzwischen zu einer echten Werwölfin geworden und bildet für Menschen somit eine tödliche Gefahr. Dieser Zustand wird nicht immer anhalten, aber er wird stets zurückkehren, und dann sind Menschen ihr Opfer.«
»Das verstehe ich. So etwas habe ich schon mal gelesen. Und wie wollen Sie das ändern?«
»Das ist sehr einfach. Ich werde sie erschießen müssen.«
Kate Milton erschrak. »Einfach so?«
»Leider gibt es keine andere Möglichkeit. Wenn sie ihr Menschsein wieder zurückgefunden hat, ist sie völlig harmlos und normal. Da kann sie die beste Freundin und auch Nachbarin sein. Sobald jedoch der Mond in seiner Fülle am Himmel steht, ist alles vorbei. Das ist ihr Schicksal, das ist auch das Schlimme daran.«
Sie hatte zugehört. Sie nickte, sie schaute Ranja an, dann wieder mich und fragte mit leiser Stimme: »Werden Sie Ranja jetzt töten?«
»Ich muss es tun.«
Es war, als hätte Ranja mich gehört, denn plötzlich stieß sie einen lang gezogenen Heullaut aus, als wollte sie dafür sorgen, dass noch andere Helfer erschienen, um ihr zur Seite zu stehen.
Ich wartete, bis der Heullaut verstummt war, und legte dann auf sie an. Viel sah ich bei dieser nächtlichen Schwärze nicht. Ich konzentrierte mich auf das Gesicht, das für mich besser zu sehen war. Nun ja, es war kein richtiges Gesicht. Ich konnte es auch als eine Schnauze bezeichnen, denn sie stand jetzt weit vor. Darunter war das Maul nicht geschlossen. Auf den Lefzen schäumte Geifer, der anschließend in Tropfen nach unten fiel.
Und dann fiel mir noch etwas auf.
Das waren die Augen, die auch ein anderes Aussehen angenommen hatten. Sie waren mit klaren und auch kalten Lichtern zu vergleichen. Da gab es kein Gefühl mehr. Die Grausamkeit der Blicke passten zu dieser Gestalt.
»Werden Sie jetzt schießen, Mister Sinclair?«
»Ja, das werde ich.«
»Und wohin?«
»Ich werde versuchen, den Kopf zu treffen.«
»Ist schon gut.«
Ich wusste nicht, ob Ranja uns verstanden hatte. Sie reagierte allerdings, schüttelte den Kopf, wobei aus ihrem Maul fauchende Laute drangen.
»Und es tut mir nicht mal leid«, sagte ich, als ich die Waffe anhob. Ich wollte den Kopf treffen und hoffte auf die Kraft meiner geweihten
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