1774 - Ranjas Rudel
Wölfin, obwohl ich nicht so aussehe, aber in mir brennt das Feuer.«
»Ja, das glaube ich dir. Was ist mit Mitternacht?«
»Da hoffe ich auf die Verwandlung.«
»Wieso?«
»Dann wird meine große Stunde kommen, denn da werde ich zu einem anderen Wesen werden und endlich das sein, wonach ich mich sehne. Du wirst es sehen.«
Sie hatte zwar in Rätseln gesprochen, aber so rätselhaft waren die Worte für mich nicht. Ich ahnte, nein, ich wusste, was passieren würde. Sie stand dicht vor einer Verwandlung, aus dem Menschen würde ein Tier werden, aus der Frau eine Wölfin. Und jetzt glaubte ich daran, es mit einer Werwölfin zu tun zu haben. Ihre vierbeinigen Begleiter waren normal. Ganz im Gegensatz zu ihr. Sie sah zwar auch normal aus, doch in Wirklichkeit hoffte sie auf eine andere Existenz.
»Also gut«, sagte ich, »du willst dich verwandeln. Das akzeptiere ich. So etwas ist mir nicht neu. Aber wer hat dich dazu gemacht? Wem hast du das zu verdanken?«
»Ich habe sie getroffen. In meiner Heimat.«
»Eine sie also.«
»Genau.«
»Hörte sie vielleicht auf den Namen Morgana Layton?«
Ich hatte nur eine Frage gestellt, die aber war für sie wie ein Schlag gewesen. Bestimmt hatte sie nicht damit gerechnet, dass ich die Werwölfin Morgana Layton kannte. Sie war mir schon lange ein Begriff, und ich hatte mich sogar mal in sie verliebt. Da war mir noch nicht klar gewesen, wer sie wirklich war.
»Du – du – kennst sie?«
»Und ob ich sie kenne.«
Es sah so aus, als wollte sie noch etwas hinzufügen. Das tat sie nicht, denn sie fing plötzlich an zu lachen. Erst als das Gelächter vorbei war, sprach sie wieder.
»Du kennst sie also?«
»Ja.«
»Und weiter?«
Ich winkte ab. »Nichts weiter, ich kenne sie, und damit hat es sich.« Auf keinen Fall wollte ich ihr erzählen, was ich mit Morgana erlebt hatte. Ich wäre auch nicht mehr dazu gekommen, denn es musste Mitternacht sein.
Ranja begann sich zu verwandeln. Vielleicht hätte sie vorher schießen sollen, jetzt war es zu spät, denn durch ihren Körper lief ein Zittern.
Ich kannte die Anzeichen der Metamorphose. Nicht zum ersten Mal erlebte ich eine derartige Verwandlung mit. Und sie war für die betreffende Person nicht einfach. Das war hier auch nicht anders.
Sie kämpfte. Sie schüttelte sich. Zwar hielt sie meine Beretta noch, doch es war ihr unmöglich, eine Zielrichtung zu bestimmen. Die Hand tanzte, die Waffe tanzte mit, sie schlug mal nach oben, dann wieder nach unten. Es war ihr nicht mehr möglich, sie auf mich zu richten.
Ich war bereits unterwegs. Im Zickzack lief ich die kurze Strecke auf Ranja zu, die mich sah, aber keine Notiz von mir nahm.
Ich konzentrierte mich auf ihre rechte Hand, in der sie die Pistole hielt.
Ich schnappte mir ihr Handgelenk und drehte es herum. Sie schrie, dann ließ sie die Waffe fallen, die ich sofort an mich nahm. Ich ging etwas zurück und warf einen Blick zum Himmel, weil mir etwas aufgefallen war.
Die Wolkendecke war an einer Stelle sehr dünn geworden, und dahinter zeigte sich tatsächlich die runde Scheibe des Vollmonds.
Er stand auf der Seite der Wölfin. Er wollte, dass sie ihr Menschsein verlor, und sie reagierte so, wie sie reagieren musste, um ihre andere Gestalt zu erlangen.
Um mich kümmerte sie sich nicht mehr. Es konnte sein, dass sie sich in der Zeit geirrt und sie die Verwandlung später erwartet hatte. Das war nun anders gekommen, und ich war froh darüber.
Ich schoss nicht auf sie. Vom Gefangenen war ich plötzlich zum Zuschauer geworden, denn Ranja dachte gar nicht daran, sich auf mich zu stürzen. Sie hatte genug mit sich selbst zu tun.
Trampelnd stand sie auf der Stelle und warf den Kopf hin und her. Mit den Händen hielt sie ihre Kleidung umfasst. Die Jacke hatte sie bereits abgeworfen. Sie trug jetzt eine Weste, die vorn zugeknöpft war. Das passte ihr nicht. Sie wollte sich von allen Zwängen befreien und riss die Weste auf.
Ihr nackter Körper war zu sehen.
Ich starrte ihn an, ich sah die beiden Brüste, auch den Bauch mit seinem Nabel, und mir fiel auf, dass sich die Haut verfärbte. So jedenfalls sah es im ersten Moment aus. Das stimmte aber nicht, denn es war keine Verfärbung, sondern das Sprießen kleiner Haare, die sich bald zu einem Fell auswachsen würden.
Und so war es auch.
Vor meinen Augen wuchs das Fell. Aber das war nicht alles, denn auch das Gesicht veränderte sich. Sie wurde zum Tier, zur Bestie, das Gesicht verwandelte sich in eine Schnauze. Die Haut riss
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