1774 - Ranjas Rudel
aber es war etwas zu riechen. Normalerweise hätte mich ein muffiger Geruch empfangen müssen. Der war zwar vorhanden, wurde aber von einem anderen überdeckt, der mir nicht fremd war. Ich nahm ihn an der Tür stehend wahr.
Es roch streng. Nach Tier, und zugleich nach einem besonderen Tier, das den Namen Monster eher verdient hätte.
Für mich stand es fest.
Im Wagen steckte die Werwölfin!
***
Ich trat nicht ein, sondern zurück. Das fiel Kate Milton natürlich auf, und sie schaute mich aus ihren groß gewordenen Augen an. Ich beantwortete ihre stumme Frage.
»Sie ist im Wagen!«
»Haben Sie sie gesehen?«
»Nein, aber gerochen.«
Sie ging von mir weg, stellte auch keine Frage mehr, denn ab jetzt überließ sie mir alles.
Ich hatte die Werwölfin zwar nicht gesehen, aber ich musste davon ausgehen, dass sie mich entdeckt hatte. Ich schätzte sie so ein, dass sie handeln würde, um mich aus dem Weg zu räumen, denn jetzt war ihr Versteck keines mehr.
Ich entschloss mich, mein Kreuz einzusetzen. Und wenn ich es nur offen vor meine Brust hängte.
Die Tür flog auf.
Es ging alles blitzschnell. Mein Kreuz konnte ich vergessen, denn in der offenen Tür sah ich die Gestalt der Werwölfin. Ihr Maul war weit aufgerissen, und aus dem Stand heraus sprang sie mich an.
Ich kam nicht schnell genug weg, sie erwischte mich in der Bewegung. Den Schlag spürte ich an der Schulter und am Arm. Ich geriet aus der Richtung, trat verkehrt auf und stolperte dann noch über meine eigenen Beine.
Ich legte mich lang. Dabei landete ich auf dem Rücken. Meine Gegnerin hatte ihre schnelle Aktion gestoppt, um sich mir jetzt zuzuwenden.
Von der Seite her huschte Kate Milton auf die Werwölfin zu. Sie hielt auch jetzt ihren Ast fest und fand den Mut, ihn der Bestie quer über das Gesicht zu schlagen.
Das brachte Ranja zwar nicht um, aber schon aus dem Konzept. Sie schüttelte den Kopf, dann schlug sie nach Kate, verfehlte sie allerdings.
Ich lag noch immer auf dem Boden. Jetzt aber hielt ich meine Beretta in der Hand.
Gleich drei Kugeln jagte ich aus dem Magazin. Keine traf den Kopf. Sie jagten seitlich in den Körper der Bestie und sorgten dafür, dass ihr Angriff gestoppt wurde.
Ranja landete am Boden. Dabei überschlug sie sich, kam wieder hoch, brüllte und suchte jetzt mich. Ich saß mittlerweile und als sie mich anschaute, da konnte sie die Waffe nicht übersehen.
Ich war bereit, den Inhalt des Magazins in ihrem Körper zu leeren, aber das musste ich nicht mehr. Meine Kugeln hatten gereicht.
Sie fiel zu Boden, als hätte man ihr die Beine unter dem Körper weggeschlagen. Dort blieb sie zuckend liegen und gab Laute von sich, die sich wie Winseln und Schreien anhörten.
Es war vorbei. Sie hatte keine Chance mehr. Von zwei Seiten gingen Kate Milton und ich auf Ranja zu. Sie lag auch weiterhin auf dem Rücken und warf ihren Kopf hin und her. Dabei sahen wir, was da passierte. Sie begann sich zurück zu verwandeln. Das Fell aus ihrem Gesicht verschwand, sodass wieder die normale Haut zu sehen war.
Ich kannte so etwas.
Für Kate Milton aber war es neu. Sie starrte die Bestie an, schüttelte den Kopf und fragte dann: »Was passiert da?«
»Eine Rückverwandlung, das ist alles.«
»Also wird sie wieder zu einem Menschen?«
»Ja. Allerdings zu einem toten Menschen. Das ist leider so, da ich auf sie geschossen habe.«
»Verstehe.«
Es musste nicht mehr viel gesagt werden. Was hier ablief, benötigte keinen Kommentar. Wir sahen, wie immer mehr von dieser Frau zurückkehrte. Das Fell verging, das Maul zog sich zurück und wurde wieder zu einem menschlichen Gesicht.
Auch im Tod war es nicht hässlich. Nur seltsam leer, ganz ohne Ausdruck.
Ich bückte mich und fühlte nach dem Herzschlag. Es gab ihn nicht mehr. Es gab nur noch eine tote Frau, die nackt und wieder normal vor uns lag...
***
»Und wie kommen wir jetzt von hier fort?«, fragte Kate Milton.
»Ganz einfach, wir lassen uns abholen.«
»Bitte?«
Ich holte mein Handy hervor. »Es wird in Edinburgh einige Kollegen geben, die bestimmt ihren Spaß damit haben werden.«
»Mitten in der Nacht?«
»Warum nicht? Auf uns wurde schließlich auch keine Rücksicht genommen. Oder sehe ich das falsch?«
»Nein, ganz und gar nicht.« Kate Milton nickte. »Aber eines ist sicher. Wenn ich mich demnächst in den Zug setze, dann schaue ich vorher nach, ob jemand mit Wölfen einsteigt. Wenn das der Fall sein sollte, verzichte ich gern...«
ENDE
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