1774 - Ranjas Rudel
Silberkugel.
Der plötzliche Schrei gellte in meinen Ohren wider. Er war wie ein Alarmsignal, aber nicht die Werwölfin hatte ihn ausgestoßen, sondern Kate Milton.
Warum?
Ich wollte es wissen, kam aber nicht dazu, die entsprechende Frage zu stellen, denn Kate Miltons Warnschreie gellten in meinen Ohren.
»Die Wölfe sind da...«
***
Natürlich! Wie hatte ich sie vergessen können? Es lag einzig und allein daran, dass ich von Ranjas Verwandlung so stark fasziniert gewesen war. Doch jetzt waren sie wieder da, und ich wusste, dass es Probleme geben würde.
Dennoch versuchte ich, die Werwölfin auszuschalten. Mit einem Schnappschuss wollte ich sie erwischen, aber das Schicksal war gegen mich. Ranja hatte die Gunst der Stunde genutzt und sich aus dem Staub gemacht.
Sie war nicht mehr zu packen, ich wusste nicht mal, in welche Richtung sie geflohen war. Wichtig war es im Moment nicht, denn ich musste mich auf die Wölfe konzentrieren. Einen von ihnen hatte ich im Wasser erledigt, blieben noch drei, und auch die konnten uns das Leben schwer machen.
Ich fürchtete schon, dass Kate Milton angegriffen worden war. Das war auch so gewesen, aber der Wolf hatte nicht richtig zubeißen können und nur die Kleidung in Höhe des rechten Oberschenkels zerfetzt. Dann war es der Frau gelungen, ihn mit dem Ast zu malträtieren, und zwar so stark, dass er sich am Boden wälzte und zunächst den Schmerz verdauen musste.
Ich sah nur den einen Wolf und hielt Kate zurück, die wieder auf ihn einschlagen wollte.
»Nein, so nicht.«
Sie starrte mich von der Seite her an. »Wie dann?«
Ich hielt die Beretta noch in der Hand und richtete die Mündung genau in dem Augenblick auf das Tier, als es seinen Angriff starten wollte.
Der Schuss hallte überlaut wider. Das Echo war noch zu hören, als die Kugel in den Schädel drang. Sie riss Teile davon weg, auch die halbe Schnauze, und der Wolf heulte noch ein letztes Mal auf.
Danach brach er zusammen und blieb als Kadaver auf dem Boden liegen. Er würde keinen Menschen mehr anfallen.
Neben mir stand Kate Milton. Ich hörte ihr heftiges Atmen, das auch mit einem Stöhnen unterlegt war. Sie sagte nichts, schüttelte den Kopf, klammerte sich dann an mir fest und fragte mit leiser Stimme: »Er ist wirklich erledigt?«
»Das ist es. Einen Kopfschuss überlebt man nicht.«
»Ja, ich weiß.« Sie schüttelte den Kopf. »Und ich habe gedacht, gegen die Wölfe mit einem Ast kämpfen zu können.«
»Das haben Sie ja, und es war auch nicht schlecht.«
»Aber ich hätte ihn niemals töten können.«
»Ja, das ist nicht möglich.«
Den Ast hielt Kate trotzdem noch fest. Sie stand neben mir und schaute sich um. Sie suchte nach einem weiteren Gefahrenherd, aber man ließ uns in Ruhe. Von den anderen beiden Wölfen war nichts zu sehen und zu hören. Und auch nichts von Ranja, der Werwölfin. Deren Rudel war stark dezimiert worden.
»Was können wir denn jetzt tun, John?«, fragte Kate und versuchte, ihrer Stimme eine gewisse Festigkeit zu geben.
»Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Ich denke aber, dass wir von hier verschwinden werden.«
»Schön. Und wohin?«
Das war eine gute Frage, auf die ich auch keine richtige Antwort wusste. Ich hob die Schultern und gab mit leiser Stimme eine allgemeine Antwort. »Zunächst nur weg von hier.«
Sie sagte nichts, doch ihr Blick sprach Bände. Glücklich war sie nicht über diese Entscheidung.
»Haben Sie denn einen besseren Vorschlag?«, fragte ich.
»Ich weiß es nicht, kann es nicht sagen.« Sie schüttelte den Kopf. »Der Zug ist auch nicht mehr da.«
»Eben.«
»Und wo könnten wir hin, John?«
»Wahrscheinlich müssen wir einen Ort finden. Oder versuchen, ein Auto anzuhalten. Das wird nur nicht einfach sein in dieser einsamen Gegend.«
Unser Gespräch versiegte. Jeder hing seinen Gedanken nach.
Ich hatte meine Ohren gespitzt, um etwas hören zu können, aber da war nichts.
Ich schlug vor, dass wir diesen Ort hier erst mal verließen, um eine freie Fläche zu erreichen, von der wir einen besseren Rundblick hatten.
»Gut, dann gehen wir.« Kate Milton nickte und schlug mit ihrem Ast gegen einen Baumstamm.
Sie war zu bewundern. Kate drehte nicht durch, sie fing nicht an zu jammern, sie hielt sich tapfer und passte sich den Gegebenheiten an.
Ich ließ sie vorgehen. Einen Weg gab es zwar nicht, aber zwischen den Bäumen war genügend Platz, sodass wir bald die freie Fläche erreichten, wo wir einen guten Blick hatten und erst mal
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