1778 - Das Wappen der Medusa
wollten die beiden.«
»Und was passierte dann, als sie merkten, dass ich nicht hier war? Was haben sie getan?«
»Eigentlich nichts.«
»Ach? Wirklich?«
»Ja, ich habe ihnen dann einen entsprechenden Hinweis gegeben.«
»Und was sagten Sie?«
»Dass Sie wahrscheinlich zum Essen gegangen sind.«
Orson Tangy grinste. »Ja, das stimmt. Ich war essen. Aber ich habe die beiden nicht gesehen, wir müssen uns verpasst haben. Schade.«
»Ach, die werden bestimmt zurückkommen. Da müssen Sie sich keine Sorgen machen.«
»Danke, dass Sie so aufgepasst haben.«
»Das ist nun mal so auf Campingplätzen. Bleiben Sie denn jetzt in Ihrem Wagen?«
»Ich denke schon.«
»Dann viel Spaß.«
»Werde ich haben.«
Ken Fishburne nickte noch mal und wandte sich ab. In diesem Augenblick veränderte sich der Gesichtsausdruck des Killers. Alles Freundliche verschwand. Die Augen bekamen einen kalten Blick oder sogar einen bösartigen. Als er sich umdrehte, sah die Bewegung irgendwie lauernd und abwartend aus. Er stand vor dem Wagen, schaute ihn an und schien zu überlegen, ob er ihn betreten sollte. Sekunden später befand er sich im Innern des Wagens, ohne dort das Licht einzuschalten. Fast im Dunklen bewegte er sich weiter.
Weg vom Lenkrad, weiter nach hinten. Er wollte dorthin, wo seine Beute stand. Sie war sein Schicksal, sie gab ihm die Macht. Sie sorgte dafür, dass er Hoffnung schöpfen konnte.
Das Wappen stand zwischen der Eckbank und dem Einbauschrank. Es war mit einem Tuch verdeckt, damit niemand einen Blick auf das Motiv werfen konnte. Nur, wenn der Besitzer es wollte. Und jetzt war es mal wieder so weit.
Er streifte die Decke ab und holte den Gegenstand aus dem Versteck. Es war ein Phänomen, dass er das Motiv anschauen konnte, ohne dass ihm etwas passierte. Zwar rumorte es in ihm und irgendwie fühlte er sich auch anders, aber von einer großen Gefahr war nicht die Rede. Auch nicht von einer Angst. Er wusste selbst, dass er mit den Dingen klarkam. Er war derjenige, der das Relikt an sich genommen und aus dem tiefen Museumskeller geholt hatte.
Er sagte nichts, sondern stellte das Wappen sichtbar an einen anderen Ort. Und nicht nur sichtbar, sondern auch schnell zu greifen. Das war er sich schuldig. Sicher fühlte er sich nicht. Er dachte noch immer an die beiden Männer, von denen er nicht wusste, wer sie waren.
Er tippte auf Polizisten, aber welche in Zivil. Wären es zwei in Uniform gewesen, hätte man ihm das schon gesagt, so aber lagen die Dinge etwas anders.
Was war zu tun?
Orson Tangy spielte einige Szenen durch. Zu einem Ergebnis kam er nicht. Er schob eine Entscheidung vor sich her. Das war auch besser, es würde sich aus der Situation ergeben, wie er sich verhalten musste.
Er war bereit, seine Waffe einzusetzen. Und auch, eine Flucht anzutreten, aber etwas gefiel ihm nicht. Es war die stickige Luft, die ihn umgab. Die Klimaanlage hatte er nicht eingeschaltet, und das tat er auch jetzt nicht. Dafür ließ er Luft rein und öffnete zwei Fenster. Auch nicht weit, sondern nur auf Kippe gestellt. So drang nicht nur die frische Außenluft herein, er bekam auch mit, was draußen gesprochen wurde, wenn man nicht eben flüsterte.
Auf seinen Sitz hinter dem Lenkrad setzte er sich nicht. Er blieb in der Nähe seines Wappens, wagte nicht, es direkt anzuschauen, sondern nur im großen Innenrückspiegel des Wohnmobils.
Hatte es sich verändert?
Nein, vom Motiv her nicht. Da war der Kopf mit den Schlangen, aber die Haut schien noch grauer geworden zu sein, während die Körper der Schlangen schimmerten, als hätte man ihre Haut mit Öl eingepinselt.
Ja, das war sein Freund. Er würde ihm zur Seite stehen, daran glaubte er fest, und es war ihm auch egal, ob es noch weitere Tote auf seinem Weg gab.
Plötzlich zuckte er zusammen. Um seinen Wagen herum war es recht still gewesen. Das hatte sich jetzt geändert. Er hörte Stimmen.
Nicht alle waren ihm fremd.
Eine kannte er.
Und er verzog die Lippen, als er sie hörte. Es war sein Nachbar Fishburne, der sprach.
»Da haben Sie aber Glück, Ihr Kollege ist gerade zurückgekommen...«
***
Den Satz hatte der Mann uns gesagt.
»Und weiter?«, fragte Suko.
»Er ging in sein Wohnmobil.«
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Ja, das habe ich.« Fishburne zuckte mit den Schultern. »Aber nur kurz.«
»Dann haben Sie nichts von uns erzählt – oder?«
»Doch, habe ich...«
Eine Reaktion erntete er nicht. Wir blieben stumm, und er fragte: »Habe ich da was
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