1784 - Geisterauge
dann war es vielleicht an der Zeit, dass sie selbst in die Offensive ging und etwas unternahm. Dabei schossen ihr einige Gedanken durch den Kopf, und sie fragte sich, ob sie auf das Auge schießen sollte oder nicht.
Nein, sie schoss nicht. Sie wollte es auf keinen Fall provozieren, und nur deshalb wartete sie und lauerte, dass die andere Seite etwas unternahm.
Das Auge blieb so, wie es war, und Jane Collins hatte den Eindruck, verhöhnt zu werden. Nicht das geringste Zucken war zu sehen. Es war wie ein Herrscher, der alles unter Kontrolle hält und zunächst mal abwartet.
Jane fragte nicht danach, woher dieses Auge so plötzlich gekommen war. Es war einfach da und fertig. Es hatte Grenzen überwunden, die für einen normalen Menschen nicht zu überwinden waren.
Aber es gab eine Veränderung, die auch Jane bemerkte. Nicht durch das Auge, sondern innerhalb der Umgebung. Möglicherweise trug das Auge eine Mitschuld, nun aber sah Jane Collins das gelbe Licht, das noch nicht sehr stark war, aber vom Auge auszugehen schien.
Es breitete sich aus. Schwach, vergleichbar mit einem dünnen Schleier. Jane hätte es gern gestoppt, was ihr nicht möglich war. Sie musste dem Licht Tribut zollen, das immer mehr an Intensität zunahm.
Es bewegte sich nicht nur in eine Richtung. Es hatte alle Stufen in Beschlag genommen und schwebte auch über die Stufen der Treppe in Richtung der ersten Etage.
Jane hielt den Atem an. Für sie war es ein Phänomen, aber kein positives. In ihrem eigenen Haus kam sie sich plötzlich wie eine Fremde vor, und sie wusste noch immer nicht, was sie unternehmen sollte, obwohl sie die Waffe in der Hand hielt.
Damit zielte sie auf das Auge. Jane war eine gute Schützin. Sie würde das Auge nicht verfehlen, aber war es überhaupt mit einem Treffer auszuschalten? Sie hatte den Eindruck, dass es mehr ein feinstoffliches Gebilde war, und so kam ihr der Ausdruck Geisterauge in den Sinn.
Das alles ging ihr durch den Kopf, während das Auge sie unter Kontrolle hielt. Jane wollte nicht, dass sich das Licht immer weiter ausbreitete. Sie glaubte daran, dass ihr bei diesem Vorgang immer mehr von der eigenen Wohnung genommen wurde.
Ein Geisterauge war es für sie.
Eines, das es gab, aber dennoch nicht so existent war wie sonst ein Gegenstand.
Sie zielte noch immer, allmählich musste sie sich entscheiden. Wenn sie weiterhin in dieser Haltung blieb, dann würde der Arm irgendwann nach unten sinken, wenn sie ihn nicht entsprechend unterstützte, denn die Beretta war nicht eben leicht.
Sie flüsterte etwas, ohne dass sie wusste, was es war. Vielleicht hatte sich Jane Mut machen wollen. Jedenfalls ging es so nicht weiter.
Noch mal geschaut.
Ja, das Auge war da und hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Jetzt musste sie es riskieren.
Jane drückte ab.
Schießen und auch treffen, das konnte sie. Es war auch kein Problem, das Auge zu durchschießen, denn nach wie vor hatte sie eine ruhige Hand.
Und sie traf!
Den Jubelschrei verschluckte sie, denn sofort erkannte Jane, dass es nichts zu jubeln gab. Das Auge hatte sie nicht vernichten können, es war noch immer vorhanden.
In diesem Moment sagte Jane nichts und dachte auch an nichts. Sie fühlte sich nur wahnsinnig enttäuscht. Das Auge hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Es schwebte an der gleichen Stelle wie vorher. Es hatte sich auch nicht verändert, trotzdem glaubte die Detektivin, dass sie von einem höhnischen Blick getroffen wurde.
Es konnte auch Einbildung sein, aber darüber wollte sie nicht weiter nachdenken. Dafür bemerkte sie, dass sich ihr rechter Arm mit der Waffe in der Hand senkte. Sie hatte es eigentlich nicht gewollt. Es war automatisch geschehen. Die Kraft hatte sie in diesen Augenblicken verlassen.
Jane spürte auch den schwachen Taumel, der sie erfasst hatte. Sie hielt sich jedoch auf den Beinen, musste aber einige Male tief durchatmen, um wieder zu sich zu finden.
Sie ging keinen Schritt weiter. Dafür schaute sie auf ihre Waffe und dachte daran, dass sie eine Kugel verschossen hatte, die irgendwo im Holz der Treppe steckte.
Das Auge war da.
Das Licht gab es ebenfalls.
Jane wusste nicht, was sie unternehmen sollte. Sie dachte daran, dass ihre Freunde unterwegs waren. Aber es würde sicher noch dauern, bis sie eintrafen.
Der Gedanke, im eigenen Haus nur eine Gefangene zu sein, machte sie verrückt. Deshalb entschloss sie sich, das Haus zu verlassen. Einfach weg, das furchtbare Auge nicht mehr sehen, über nichts mehr
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