18 - Eine Taube bringt den Tod
Beide starrten in die züngelnden Flammen. Bruder Metellus hatte sich offenbar in aller Frühe zur Burg aufgemacht, um zu berichten, wie es nach dem mit Mühe verhinderten Aufstand in der Abtei aussah. Er hatte zwischen den beiden Platz genommen, trommelte mit den Fingern auf die Armlehne des reich verzierten Sessels und fühlte sich sichtlich unbehaglich. Bleidbara stand unbewegt mit auf dem Rücken verschränkten Händen da. Eadulf war, nachdem er gefrühstückt hatte, am Tisch sitzen geblieben. Er rollte verzweifelt die Augen, als Fidelma ihn fragend ansah, und deutete damit die beklemmende Stimmung an, die im Raum herrschte.
Sie wollte gerade zu ihm gehen, als ein Trompetensignal vom Burgtor alle aufschrecken ließ. Selbst Bleidbara zuckte zusammen, eilte besorgt zur Tür und stürzte hinaus. Man hörte das Hufgetrappel von einreitenden Pferden. Gleich darauf vernahmen sie Bleidbaras Stimme, der den Ankömmlingen Fragen zurief. Kurz darauf kehrte er zurück, und seine düstere Miene verhieß nichts Gutes.
»Was gibt es Neues?«, bestürmte ihn Trifina, erhob sich unsicher und schaute ihn, Schlimmes befürchtend, an.
»Es sind meine Leute«, meldete er, und seine Stimme klang seltsam hohl. »Sie haben die vier gefunden, mit denen Macliau ausgeritten war.«
»Was haben die vier Männer zu berichten? Warum bringt man sie nicht sofort vor mich?«, ereiferte sich die Fürstentochter.
Bleidbara schaute zu Macliau, der ängstlich den Kopf hob. »Sie können nichts berichten. Sind alle tot. Man hat sie aus nächster Nähe mit Pfeilen erschossen.«
Nur Macliaus jämmerliches Aufstöhnen unterbrach die in der Halle entandene Stille.
»Wo hat man die Leichen entdeckt?«, fragte schließlich Fidelma. »In der Nähe der verfallenen Kapelle?«
»Nicht weit entfernt davon, doch weit genug, dass man Hilfeschreie nicht hätte hören können.«
»Haben deine Leute die Pfeile mitgenommen?«
Bleidbara stutzte, murmelte etwas und verschwand. Nach wenigen Minuten war er wieder da und hielt ihr einen der Pfeile hin.
Sie schaute darauf und erklärte: »Gänsekiel und drei Flugfedern. Den Pfeil hat ein Fachmann befiedert.«
Eadulf nickte zustimmend. Bleidbara wollte etwas sagen, unterließ es aber.
»Sie sind meine einzigen Zeugen«, jammerte Macliau, »sie hätten beeidigen können, dass ich die Wahrheit sage. Wie stehe ich nun vor Gericht da?«
Bekümmert sah ihn Bruder Metellus an. »Tote sind keine brauchbaren Zeugen, Macliau. Es ist traurig, dass sie tot sind, doch der Tatbestand allein beweist nicht, wer sie umgebracht hat.«
»Ich habe sie nicht getötet! Willst du mir das anlasten, Bruder Metellus? Ich habe niemanden ermordet.« Er drehte sich um und rannte aus der Halle wie ein bockiges Kind.
»Auch wenn sich Macliau töricht verhält, dürfen wir seine Aussagen nicht gleich in Zweifel ziehen«, mahnte Fidelma. »Es kann sich tatsächlich so zugetragen haben. Erst hat man seine Begleiter getötet; dann haben die Mörder gewartet, bis Macliau und sein Mädchen eingeschlafen waren, sind in die Kapelle eingedrungen, haben ihn so betrunken gemacht, dass er die Besinnung verlor, und das Mädchen erstochen. So wäre die Geschichte durchaus nachvollziehbar.«
Bleidbara schaute zu Trifina, die wieder in die Flammen blickte und die Zähne zusammenbiss. »Auf eine Sache wollte ich aufmerksam machen«, sagte er in aller Ruhe, »und Lady Trifina weiß, was ich meine.«
»Und die wäre?«
»Den Pfeil, den du eben beschrieben hast, hat unser Pfeilschmied angefertigt. Vor vierzehn Tagen ist ihm aufgefallen, dass etliche Bündel in der Waffenkammer fehlen. Wo sie geblieben sind, konnte niemand erklären.«
»Was wir brauchen, sind Beweise, wenn wir Barbatil und die Leute aus dem Dorf beschwichtigen wollen«, warf Bruder Metellus ein.
Nach stummer Verständigung mit Fidelma ergriff Eadulf das Wort. »Nehmen wir an, die Mörder haben das Mädchen erdolcht und Macliau, als er wach wurde, irgendwelchen starken Alkohol eingeflößt, um ihn bewusstlos zu machen. Wäre dann die erwünschte Wirkung sofort eingetreten? Nein, man kann nicht jemand Alkohol eintrichtern und erwarten, dass er auf der Stelle nichts mehr wahrnimmt.«
»Willst du damit sagen, dass Macliau uns belügt?« Trifina empörte sich mit grollender Stimme.
»Das nicht«, beeilte sich Eadulf zu versichern. »Ich wollte nur klarmachen, jemand hätte ihm schon vorher ein Betäubungsmittel verabreichen und ihm dann zusätzlich Alkohol eingeflößt haben müssen. Dazu
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