18 - Eine Taube bringt den Tod
Aourken erzählte mir das. Alain hat nur den einen Sohn, und in Abt Maelcars Augen war Iuna eine Magd aus der Provinz. Das hat Iuna mir gegenüber selbst geäußert, denn sie empfand das als Beleidigung. Sie sagte in dem Zusammenhang außerdem, dass der Abt zu denen gehörte, die verborgen hinter Vorhängen gern ein Auge auf nur spärlich bekleidete Frauen warfen. Sie war drauf und dran, sich näher darüber auszulassen, was sich in Brekilien abgespielt hatte, merkte dann aber, dass es sie eher belasten könnte. Im Nachhinein fürchtete Iuna sogar, Abt Maelcar könnte von ihrem Verhältnis mit Budic etwas mitbekommen haben. So erfand man etwas, um ihn hierher zu locken und bei der Gelegenheit aus dem Wege zu schaffen. Je näher der Zeitpunkt des entscheidenden Komplotts rückte, desto dreister wurde sie.«
Während Fidelmas Darlegungen hatte sich Riwanon zu Budic gedreht und ihn voller Verachtung angesehen, doch der ließ sich nicht stören und grinste weiterhin zynisch. König Alain äußerte abermals seine Bedenken.
»Es heißt doch aber, Budic wäre in einem Scharmützel beinahe selbst von den Anhängern dieser ›Taube des Todes‹ erschlagen worden. Die Schurken überfielen Riwanon und ihre Eskorte aus dem Hinterhalt, töteten etliche aus ihrer Begleitung, und Budic eilte ihr zur Hilfe und rettete sie.«
»Jetzt bist du in Erklärungsnöten, Fremdländische«, spottete Budic.
»Der Überfall war nur vorgetäuscht«, erwiderte Fidelma eiskalt.
Riwanon bekam glutrote Wangen und ereiferte sich. »Ich habe es doch selbst erlebt! Dann sind Bleidbara und dein Gefährte losgezogen, haben die Angreifer gefunden, meine Zofe gerettet, die einer der Banditen gerade vergewaltigte, und haben sie allesamt getötet. Und das Ganze willst du als Vortäuschung bezeichnen?«
»Ich werde dir sagen, was sich tatsächlich abgespielt hat«, entgegnete Fidelma in aller Ruhe. »Budic und du, ihr seid mit Ceingar, deiner Zofe, und zwei Kriegern losgezogen. Budic brauchte einen besonderen Vorfall, um sich zur gegebenen Zeit als Held ins rechte Licht setzen zu können, als einer, der sich gerade noch vor den üblen Machenschaften des Hauses Brilhag hatte retten können. Iuna hatte dafür gesorgt, dass einer der Räubertrupps von der ›todbringenden Taube‹ parat stand, um Budic und seiner Gesellschaft den nötigen Empfang zu bereiten. Ich glaube sogar, dass die beiden Krieger, die Budic begleiteten, entweder selbst zu den Verschwörern gehörten oder von der ›Taube des Todes‹ angeheuert worden waren. Dass Budic und Riwanon ausgerechnet an dem Morgen, da alles ringsherum in Aufruhr war, zu der kleinen Kapelle gehen wollten, fand ich seltsam. Als sie uns bei ihrer Rückkehr nach Brilhag die Geschichte von den beiden getöteten Kriegern und Ceingar und ihrer eigenen wundersamen Rettung auftischten, schöpfte ich Verdacht.
In Wahrheit ist Folgendes gelaufen: Als beide Gruppen aufeinandergestoßen waren, kehrten Riwanon und Budic mit ihrem Lügenmärchen nach Brilhag zurück. Derweil verbündeten sich die beiden Krieger und Ceingar mit den anderen, überfielen ein Gehöft und töteten obendrein den Bauern und seine Familie.
Bleidbara und Boric – und Boric ist ein erstklassiger Fährtenleser – konnten auf dem Waldweg keinerlei Spuren finden, die auf einen Überfall hindeuteten, wie er angeblich stattgefunden hatte. Auch gab es nirgends Hinweise auf rasch dahingaloppierende Pferde, obwohl es hieß, Riwanon und Budic hätten eilends auf ihren Pferden Richtung Brilhag fliehen müssen und wären dabei verfolgt worden. Schließlich stießen Bleidbara und seine Männer, Eadulf war übrigens auch dabei, auf das Lager der Räuber und auf Ceingar.«
»Sie kamen gerade dazu, wie Ceingar vergewaltigt wurde«, warf Riwanon ein.
»Schon möglich, ja. Kann genauso gut sein, einer der Kerle war Ceingars Liebhaber, oder sie selbst gehörte zu den jungen Damen, deren Auffassung von Moral zu wünschen übrig lässt. Nach dem, was Eadulf zu berichten wusste, war es keine Vergewaltigung, zumindest wehrte sie sich nicht gegen den Mann. Bei ihrer Rückkehr nach Brilhag war sie reichlich durcheinander. Vielleicht hätte sie in ihrem Zustand die Wahrheit bekannt, aber man schickte sie in ihre Kammer, ehe ich sie befragen konnte.
Iuna war sich darüber im Klaren, dass König Alains Ankunft unmittelbar bevorstand und dass alles nach Plan gehen musste. Vielleicht gab ihr auch Budic die entsprechenden Anweisungen. Es
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