18 - Eine Taube bringt den Tod
vertreten«, entgegnete Fidelma. »Wir waren immer in Sichtweite der Burg und kamen gar nicht auf den Gedanken, uns könnte irgendetwas widerfahren.«
Vollends überzeugt war Macliau von ihren Worten nicht, eine merkwürdige Betonung hatte in ihrem Satz gelegen.
»Ist ja jetzt auch nicht mehr wichtig. Wie sagten die Alten doch so schön – si finis bonus est, totum bonum erit – Ende gut, alles gut.« Und nach einer Weile fuhr er fort: »Boric ist mit seinen Männern von der Abtei zurück. Er war auch bei Aourken und hat eure paar Habseligkeiten mitgebracht. Iuna wird sie auf euer Zimmer schaffen lassen. Die Leichen von Biscam und seinen Gefährten sind in der Abtei, und Abt Maelcar wird sich um die Bestattung kümmern.«
»Bestens.« Bruder Metellus nickte zustimmend.
»Es gibt aber auch eine schlechte Nachricht«, eröffnete ihnen Macliau. »Der einzige Überlebende hat die Nacht nicht überstanden. Ihr habt gar nicht erwähnt, dass es unter den Opfern auch einen Lebenden gab?«
»Er hatte eine schlimme Wunde, aber für lebensbedrohlich habe ich sie nicht gehalten«, platzte Eadulf verwundert heraus.
»Wir haben einfach vergessen, von ihm zu sprechen«, lenkte Fidelma rasch ab. »Tot, sagst du?«
»Der Arzt von der Abtei hat meinen Männern erklärt, dass es sehr ernst um ihn bestellt gewesen wäre«, fuhr Macliau fort. »Es hätte praktisch keine Hoffnung gegeben. Er hätte selbst gestaunt, dass sich der Mann noch bis zur Abtei hatte schleppen können.«
Entrüstet presste Eadulf die Lippen zusammen. Nichts dergleichen hatte der Arzt verlauten lassen, als sie den Verwundeten in der Abtei aufgesucht hatten. Und Eadulf hatte wohlweislich für sich behalten, dass er etliche Jahre an Irlands führender Medizinschule von Tuam Brecain verbracht und dort die heilenden Künste studiert hatte. Der Mann hätte nicht sterben müssen. Eadulf fühlte sich in seinem Können und seiner Ehre gekränkt. Er schaute Fidelma an, sah aber ihren warnenden Blick.
»Damit haben wir niemand, der uns einen Hinweis auf die Angreifer geben könnte«, stellte Bruder Metellus betrübt fest, dem Fidelmas warnender Blick nicht entgangen war.
»Und das erschwert die Sache«, bekannte Fidelma mit Nachdruck.
»Das kann man wohl sagen«, bekräftigte auch Macliau. »Abgesehen davon haben meine Krieger versucht, die Spuren von Biscams Maultieren zu verfolgen. Die führten aber nur ins Schwemmland und verloren sich dort.«
»Beunruhigt es dich nicht, dass deine Schwester Trifina heute früh und augenscheinlich allein die Burg verlassen hat?«, fragte Fidelma unvermittelt.
Macliau lachte und schüttelte den Kopf. »Meine Schwester und ich sind hier geboren und aufgewachsen. Wir sind in den Wäldern zu Hause, kennen jeden Baum und Strauch. Zudem würde es niemand wagen, uns in unserem eigenen Herrschaftsgebiet anzugreifen. Ich nehme an, Trifina hat sich wieder auf unsere Insel Govihan begeben. Das tut sie des Öfteren. Und egal, wo sie hingeht, sie hat immer Krieger im Gefolge.«
»Auch unter den gegenwärtigen Umständen bist du nicht in Sorge um sie?«
»Wenn du dich in deines Bruders Königreich aufhältst, also zu Hause bist, folgt dir dann dein Bruder auf Schritt und Tritt?«
»Wenn Räuber ihr Unwesen treiben, würde er mich sehr wohl nicht aus den Augen lassen.«
»Ich gehe davon aus, dass sich die Banditen nach dem für sie erfolgreichen Überfall in ihr Lager zurückgezogen haben, wo immer das auch sein mag.«
»Kann sein. Doch man sollte sich besser vergewissern.«
Macliau nahm ihre Bedenken auf die leichte Schulter.
»Das sind reine Gedankenspiele und entbehren der Tatsachen. Ich habe keinerlei Beweise. Bloße Erwägungen führen zu nichts; solange wir nichts Genaues wissen, sind wir machtlos.«
Fidelma errötete, denn der junge Mann verfocht die gleiche Auffassung, die sie sich zu eigen gemacht hatte.
»Wie dem auch sei, Argantken und ich haben Vorkehrungen zur Jagd getroffen«, offenbarte er gleichmütig. »Die Gastfreundschaft von Brilhag ist euch gewiss, bedient euch ihrer nach Belieben.«
Sein Vorhaben überraschte sie beide. Nach der langen Nacht und dem reichlichen Genuss von Wein hatte es sie schon gewundert, dass er noch vor Mittag aus dem Bett gefunden hatte. Er bemerkte ihr Erstaunen, dachte aber, es ging ihnen unter den gegenwärtigen Umständen mehr um seine Sicherheit.
»Auch um mich braucht ihr euch keine Sorgen zu machen«, glaubte er sie beschwichtigen zu müssen.
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