18 - Eine Taube bringt den Tod
Eadulf wieder an. »Welchen Beweggrund sollen sie gehabt haben, unsere Aufmerksamkeit auf dieses Strandstück zu lenken? Vielleicht ist die Antwort viel einfacher als wir denken, sie haben die Wahrheit gesagt, und an der ganzen Sache ist überhaupt nichts Rätselhaftes dran.«
Unversehens blieb Fidelma stehen. Durch den Sandstrand zog sich plötzlich ein etwas breiteres Rinnsal, das seinen Ursprung oben in den Wäldern hinter der Burg hatte und sich seinen Weg ins Meer bahnte. Jenseits des Bächleins bildete ein großer Felsvorsprung nicht nur einen natürlichen Wellenbrecher, sondern auch eine Mauer zwischen dem Sandstrand auf dieser Seite und dem, was – zunächst unergründlich – dahinterlag. Der Sand hinter dem Rinnsal schien eine leicht andere Färbung zu haben und auch von anderer Beschaffenheit zu sein. Etwas Ähnliches war Eadulf schon mal vorgekommen, er konnte sich jedoch nicht erinnern, wo.
Fidelmas Augenmerk galt einem Punkt jenseits der Felsen.
»Siehst du den Bootsmast dort hinten? Hinter der Felswand muss der Hafen für die Burg sein. Ich fand es ohnehin merkwürdig, dass sie nur eine offene Bucht ohne eine Mole haben sollten.«
Er folgte ihrem Blick. Sie hatte recht. Hinter den Felsen ragte ein Bootsmast hervor. Ein kleineres Segelboot könnte es sein, schätzte er. An der Mastspitze baumelte ein Streifen weißer Stoff. Da sich die morgendliche Brise gelegt hatte, hing er schlaff herunter, das Zeichen darauf war nicht zu erkennen. Doch für Eadulf stand fest, dass es nur das Symbol der Taube des mac’htiern von Brilhag sein konnte.
»Komm«, drängte Fidelma. »Lass es uns näher anschauen. Über die Felsbrocken zu klettern, dürfte nicht schwierig sein.«
Das Wasser, das ihnen den Weg versperrte, war nicht tief. Es ging ihr kaum über den Spann, und sie brauchte nur zwei Schritte, um es zu überqueren. Hastig eilte sie weiter.
Eadulf stand noch halb im Nassen, als ihm plötzlich durch den Kopf schoss, wo er diese Art Sand schon mal gesehen hatte.
»Halt!«, hörte er sich rufen, aber da steckte Fidelma auch schon bis zu den Knöcheln im Treibsand.
Er holte sie ein, blickte entsetzt auf die Sandfläche hinter ihr, packte sie und riss sie zurück. Beide fielen rückwärts ins kalte Wasser, doch an der Stelle floss der Bach über ein dichtes und festes Sandbett. Rasch kamen sie auf die Beine und hatten bald zuverlässigen Halt unter den Füßen. Fidelma hatte im Treibsand die Sandalen verloren, und der hatte sie bereits unter sich begraben. Keuchend starrte sie auf die arglos aussehende Fläche.
»Entschuldige«, murmelte Eadulf und versuchte, den an der Kleidung haftenden nassen Sand abzuschütteln.
»Was soll ich entschuldigen?«, fragte sie zurück und malte sich erschrocken aus, was hätte passieren können, wenn sie weitergegangen wäre.
»Ich hätte die Gefahr früher sehen müssen. Erinnerst du dich an den Treibsand auf der anderen Seite des Wasserlaufs an der Burg von Uallaman dem Aussätzigen? Letzten Endes ist er selbst dabei draufgegangen, aber genauso gut hätte es vielen anderen das Leben kosten können. Ich wusste, dass ich diese Art Sand schon mal gesehen hatte. Sie ist anders als normaler Sand. Irgendetwas …«
»Zum Glück hast du die Gefahr noch rechtzeitig erkannt«, unterbrach sie ihn. »Wäre ich schneller gegangen, dann …«
»Hoi!«, klang es von ferne hinter ihnen. Sie schauten sich um. Es war Bruder Metellus, der ihnen nachgelaufen kam und ihnen zuwinkte. Beglückt war Fidelma über sein Auftauchen nicht.
»Was meinst du, war das Zwischenspiel eben die Antwort auf unsere Vermutungen?«, fragte sie Eadulf.
»Die Antwort auf …« Er riss die Augen auf, als er begriff, was sie meinte. »Du glaubst, man hatte es darauf angelegt, uns im Treibsand verschwinden zu lassen?«
»Möglich wär’s immerhin.« Sie wendete sich Bruder Metellus zu, der mit hochrotem Gesicht und reichlich außer Atem angehetzt kam.
» Deo favente !«, brachte er mühsam hervor. »Da bin ich gerade noch rechtzeitig gekommen. Ist euch klar, dass unmittelbar vor euch eine Strecke mit Treibsand lauert?«
Sie hatte nur ein ironisches Lächeln für ihn übrig. »Ich fürchte, wir haben das soeben kurz ausprobiert.«
Erst jetzt bemerkte Bruder Metellus ihre durchnässten Sachen, und fassungslos stand er mit offenem Mund da.
»Gott sei Dank seid ihr heil und gerettet«, stammelte er. »Wie …?«
»Durch die Gnade Gottes«, beantwortete Eadulf die nicht
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