18 - Eine Taube bringt den Tod
Lady«, sagte er in fehlerlosem Latein, nur konnte sie die Lautfärbung nicht einordnen. »Das Wasser ist aus der Lunge heraus, doch die immersio macht ihm zu schaffen. Zudem hat er eine arge Schürfwunde am Kopf. Dass er jetzt vor allem schlafen will, ist ganz natürlich. Dieses Schlafbedürfnis habe ich auch bei anderen festgestellt, die wiederbelebt wurden, nachdem sie fast ertrunken waren. Ruhe und ausreichend Schlaf bringen ihn bald auf die Beine. Mach dir keine Sorgen.«
»Trifina sagt, du bist Arzt.« Prüfend ließ Fidelma ihren Blick über den jungen Mann gleiten.
»Ich wurde in meiner Heimat in der Heilkunst ausgebildet.«
»Wie heißt du?«
»Heraklius.«
»Den Namen höre ich nicht zum ersten Mal; er ist bestimmt griechisch.«
»Ich bin in Konstantinopel geboren und dort ausgebildet worden«, erwiderte der Jüngling nicht ohne Stolz.
»Dann lasse ich Eadulf in deinen Händen, Heraklius. Ruf mich, wenn sein Zustand es verlangt.«
»Sei unbesorgt, Lady. Nicht lange, und er ist wieder wohlauf.«
Fidelma verließ den Raum und folgte der Magd durch den getäfelten Korridor zur Treppe. Abgesehen von einem steinernen Turm und den Grundmauern bestand das ganze Gebäude aus Holz. Eine Außenmauer aus Sandstein umgab das zweistöckige, höchst imposante Bauwerk. In vielem erinnerte es Fidelma an Villen, die sie in Rom gesehen hatte.
»Das hier ist ein prächtiges Haus«, bemerkte sie zu der Dienerin, die verunsichert knickste.
»O ja.«
»Wie alt ist es?«
»Es heißt, ein römischer Statthalter, der vor vielen Jahren über die Veneter herrschte, hat es sich als Sommersitz bauen lassen.«
Fidelma nahm es zufrieden zur Kenntnis. Kein Wunder, wenn ihr die Villa so ähnlich schien wie etliche Wohnbauten, die sie von Rom her kannte. Allerdings hatten römische herrschaftliche Häuser in der Regel nur ein Stockwerk und keine Wachtürme; wahrscheinlich war hier im Laufe der Jahrhunderte manches ausgebaut und erweitert worden. Vom Fuß der Haupttreppe geleitete sie die Dienerin durch einen Gang, der auf einen typisch römischen Innenhof führte. Dort befand sich so etwas wie ein Springbrunnen, aus dem freilich kein Wasser sprudelte. Auf der gegenüberliegenden Seite dieses Atriums öffnete die Bedienstete eine mit Schnitzwerk geschmückte Eichentür und ließ Fidelma ein.
Trifina empfing sie in einem geräumigen Gemach, an dessen einem Ende ein Feuer im Kamin angenehme Wärme verbreitete. Etwas seitlich davon standen zwei Armsessel aus Eiche und ein dazu passender Tisch mit verschiedenen Schüsseln und Krügen. Trifina lud sie ein, sich zu bedienen. »Dort steht Glühwein und Suppe, nimm, was dir behagt. Etwas Wärmendes wird dir guttun.«
Fidelma füllte einen Becher mit gewürztem Wein und ließ sich in einen der Armsessel nieder.
Die Tochter des mac’htiern von Brilhag machte es sich in dem anderen Sessel bequem und musterte Fidelma unter gesenkten Lidern.
»Ihr habt doch die Fahrt hierher nicht lediglich unternommen, um mir die Neuigkeiten zu bringen?«, begann sie das Gespräch. Es war keine Anschuldigung, mehr eine Feststellung, die eine Bestätigung verlangte.
Fidelma entschloss sich, ehrlich zu sein. »Nicht allein deswegen«, gab sie zu. »Wenngleich es der Wahrheit entspricht, dass Riwanon eingetroffen ist und Macliau sich zur Zeit nicht auf der Burg aufhält. Auch wurde Abt Maelcar dort tatsächlich ermordet.«
Trifina verzog keine Miene und sah sie weiter unverwandt an. »Aber das war nicht der Grund für eure tollkühne Fahrt hierher. Wie dem auch sei, reden wir zuerst darüber, wie der Abt zu Tode gekommen ist. Wer hat ihn ermordet und warum?«
»Das wissen wir nicht. Gegenwärtig scheint Iuna die einzige Verdächtige zu sein.«
Überrascht riss Trifina die Augen auf. »Iuna? Der Abt war nicht gerade freundlich von Gemüt, und mit seiner starren Haltung hat er sich in der Abtei und im Ort viele Feinde gemacht. Aber ich kann nicht glauben …, Iuna. Warum gerade sie?«
»Ich bin ihr begegnet, als sie aus der Schlafkammer des Abts stürzte, woraufhin sie mir erklärte, sie hätte just in dem Moment den Leichnam entdeckt. Das stimmte wohl nicht so ganz. Dann sah ich sie mit Iarnbud in einem kleinen Segelboot von Brilhag fortfahren. Sie segelten in diese Richtung. Deshalb sind Eadulf und ich ihr gefolgt.«
»Iarnbud und Iuna? Unmöglich. Du musst dich getäuscht haben?«
»Ich habe mich nicht getäuscht. Abt Maelcar erklärte bei seiner Ankunft, er
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