18 - Eine Taube bringt den Tod
Aber wenn sie tatsächlich die Hand mit im Spiele haben, warum haben sie uns dann nicht gefangengenommen oder getötet, als wir auf ihrer Burg auftauchten? Bei dem Sturm auf die Ringelgans hatte der Anführer der Piraten jedenfalls keine Gewissensbisse.«
Sie biss sich auf die Lippen, ehe sie antwortete.
»Das ist eine Sache, die ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht erklären kann«, gab sie zu.
Eadulf drehte sich um und betrachtete die vor ihnen liegende Insel etwas genauer. Von dem Turm auf Brilhag war sie ihm klein und gedrungen erschienen. Jetzt mehr aus der Nähe wirkte sie größer. Von dem anderen Boot, in dem Fidelma Iuna und Iarnbud vermutet hatte, war nichts zu sehen. Möglicherweise waren sie bereits auf der Insel an Land gegangen. Besorgt schüttelte Eadulf den Kopf. Er konnte nur hoffen, Fidelma hatte die Sache gut durchdacht, denn man würde sie sofort sichten, wenn sie sich der Insel näherten, und sollte Fidelma recht behalten, dann käme sie gar nicht umhin, ihren Verdacht auf die Mitschuld der Kinder des Lords auf Brilhag zu äußern.
An der Südseite war die Insel wenig einladend. Von seinen Beobachtungen vom Burgausguck her hatte Eadulf in Erinnerung, dass sich nach Osten hin ein langes, sandiges Ufergefälle erstreckte, während es im Westen einen kleinen Sandstreifen gab. An beiden Stellen würde man leicht landen können, aber ebenso leicht würde man sie erspähen.
»Wo gedenkst du zu landen?«
Das war eine Frage, die auch Fidelma bereits beschäftigte. Wenn möglich, wollte sie unbemerkt an Land gehen. Sie hoffte, sie waren bisher niemand aufgefallen, und wenn doch, dann wenigstens für einfache Fischer gehalten worden, die auf dem Gewässer kreuzten. Aber eine Landung am östlichen oder westlichen Ufer bedeutete unweigerlich, die Bewohner des befestigten Gebäudes auf sie aufmerksam zu machen und ihre Abwehr herauszufordern.
»Die einzige unbewachte Stelle ist am südlichen Ende«, meinte sie schließlich. »Wir könnten mit dem Boot, ohne Aufsehen zu erregen, im Schutz der hohen Ufer anlegen und von dort zur Baumgrenze hochklettern. Oben können wir uns dann ein Bild von der Lage machen und entscheiden, wie wir weiter vorgehen.«
Eadulf überlief es kalt, als er zu dem dunklen, steilen Ufer blickte.
»Dort und landen?«
»So schwierig ist es nicht«, erwiderte sie ruhig.
»Dort sind Felsen und tückisches Wasser.«
»Klettere in den Bug und gib Zeichen, wenn ich mich irgendeiner Gefahr nähere. Nimm eins der Ruder und halte Abstand zu Felsbrocken oder Geröll.«
Widerwillig und brummend krabbelte er nach vorn und zerrte ein Ruder mit sich. Das Schiff trieb rasch auf die Insel zu, für seine Begriffe zu rasch.
»Nach links!«, brüllte er und half mit der Hand richtungweisend nach. »Halte dich links!«
Noch waren sie ein Stück von dem steinigen Ufer entfernt, als er sah, dass die schäumende Gischt nicht nur gegen deutlich herausstehende Felsen peitschte, sondern dass sie sich über scharfkantigem, felsigem Untergrund bewegten.
»Wir müssen umkehren. Es ist zu gefährlich!«, warnte er.
Aber da waren sie auch schon inmitten des schäumenden Wassers und konnten nicht mehr wenden. Eine unwiderstehliche Strömung trieb sie zum Ufer hin.
»Rechts!«, schrie er aus Leibeskräften. »Mehr rechts!«
Er spürte, wie das Boot gehorchte.
Seine Gedanken überschlugen sich. Das Boot fuhr zu schnell. Sie müssten das Segel einziehen. Er konnte aber seinen Platz nicht verlassen, musste die Felsen im Auge behalten. Fidelma wiederum wurde als Steuermann gebraucht. Um das Segel zu reffen, war es zu spät, ohnehin gab es niemand, der es hätte tun können. Wie sollten sie jetzt der Gefahr entgehen? Noch wenige Klafter bis zum Ufer. Es war nur eine Frage der Zeit, dass …
Die Wucht des Anpralls stieß Eadulf über den Bug und ins Wasser. Er merkte noch, wie sein Kopf gegen einen Felsen schlug, ihm wurde schwindlig und alles verschwamm vor seinen Augen. Für den Bruchteil einer Sekunde, bevor es ihn in die Tiefe schleuderte, hatte er ein scharrendes Geräusch wahrgenommen und die Vorstellung von einem scharfkantigen Felsen gehabt, der die hölzernen Bootsplanken aufriss. Dann kämpfte er mit dem Wasser, kämpfte ein weiteres Mal um sein Leben. Die Strömung zwischen den Felsen war heftig, die Strudel waren es nicht minder und zerrten ihn erbarmungslos hin und her. Er versuchte, sich an einen Felsen zu klammern, aber der war so von Algen und Tang überzogen und glitschig, dass er
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