18 - Eine Taube bringt den Tod
innen verriegelt, aber der Holzriegel ließ sich leicht zurückschieben. Ohne große Mühe gelangten sie hinaus ins Freie. Sorgsam schlossen sie den Durchgang hinter sich.
Gespannt lauschten sie einige Augenblicke, ob sie jemand anrief, weil man sie entdeckt hatte. Dann bewegten sie sich im Schutz der Mauer weiter bis zur nordöstlichen Ecke. Immer noch waren sie allein und blieben unbemerkt. Auf dem Meer unmittelbar vor ihnen war keinerlei Leben, nur weiter hinten ließen sich ein paar Segel erkennen und ganz in der Ferne einige wenige schemenhafte Umrisse.
Sie hasteten weiter, immer dicht an der Mauer entlang in der Hoffnung, auf die Steinhütte zu stoßen.
»Da ist sie!«, rief Eadulf erleichtert.
Das geheimnisvolle Gebäude stand einsam und verlassen. Schon spürten sie den stechenden Geruch.
»Das riecht wie Schwefel«, meinte Fidelma, »aber das allein ist es nicht.«
Eadulf wagte sich weiter vor und rüttelte am Türgriff.
»Verschlossen!« In die Holztür war ein Eisenschloss eingelassen.
»Hast du etwas anderes erwartet? Wenn sich da drinnen etwas verbirgt, das kein Fremder sehen soll, wird man die Tür schwerlich offen lassen.«
Ein Schlüssel war nirgends zu finden. Dann kam Eadulf in den Sinn, dass er im Innenraum der Apotheke an der Tür einen Schlüssel hatte hängen sehen. Vielleicht war das der richtige, erwog er und sagte es auch laut.
»Rasch, hol ihn«, drängte ihn Fidelma ungeduldig. »Aber pass auf, es könnte jemand in der Küche sein und dich bemerken.«
Eadulf eilte zu dem ummauerten Kräutergarten, der zu seinem Erstaunen nicht verriegelt war, hastete hindurch und öffnete behutsam die zweite Tür. Wie zuvor lag der Innenhof auch jetzt leer vor ihm. Er hatte ein sagenhaftes Glück. Fidelma und er hätten sich ihren Umweg sparen können. Trotzdem ließ er Vorsicht walten, huschte zur Trennwand und hoffte auch hier, dass er in ihrem Schatten unentdeckt bleiben würde. Das Glück war ihm tatsächlich hold. In den Küchen regte sich nichts, und die Apotheke war offen.
Er langte nach dem Schlüssel, der an dem vertrauten Fleck hing, packte ihn fest und jagte zu Fidelma zurück. Sie hatte die Pause genutzt, sich auszuruhen, saß im Gras, mit dem Rücken an die Hütte gelehnt, und schaute verträumt auf das Wasser.
»Und?«
»Ich hab ihn«, murmelte Eadulf und steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch. Er passte. Die Hand zitterte ihm vor Aufregung, und eine richtige Umdrehung wollte ihm nicht sogleich gelingen, aber schließlich gab das Schloss nach, und er stieß die Tür auf.
Fidelma hatte ihren Rastplatz aufgegeben und stand schon hinter ihm, als er den übelriechenden Raum betrat. Von der See her strömte helles Licht durch zwei Fenster, so dass sich künstliches Licht erübrigte. Vielleicht vermied man es aber auch bewusst des Schwefels wegen, der leicht entzündbar war, wie Eadulf sich vergegenwärtigte. Das Rauminnere ähnelte einer Apotheke, fand er, denn allenthalben standen auf Regalen und auch auf einer Werkbank Krüge und Töpfe mit irgendwelchem merkwürdig riechendem Absud. In einer Ecke befand sich eine Töpferscheibe.
»Eine Töpferwerkstatt? Warum dann Schwefel?«, fragte Eadulf verwundert.
Fidelma hatte ein paar immergrüne Zweige von der Werkbank zur Hand genommen und betrachtete sie eingehend.
»Es sieht aus, als hätte man ihnen das Harz entzogen. Was glaubst du, könnte das bedeuten, Eadulf?«
»Da bin ich überfragt. Aber sieh mal, hier.«
Gleich neben der Töpferscheibe standen, säuberlich an der Wand aufgereiht, frisch hergestellte Töpfe. Nur, dass es sich bei genauerem Hinsehen nicht um Töpfe handelte. Es waren runde Kugeln, etwa so groß wie ein Menschenkopf. Sie hatten weder ein Loch noch sonst irgendeine versteckte Öffnung. Eadulf hob eine an, schwer war sie nicht. Offensichtlich waren die Kugeln hohl, aber die, die er in der Hand hielt, verriet ein merkwürdiges Ungleichgewicht. Er schwenkte sie leicht hin und her.
»Sie ist hohl, scheint aber Flüssigkeit zu enthalten.«
»Wir müssen eine aufbrechen und sehen, was drin ist«, riet Fidelma. »Egal, was man hier zusammenbraut, es muss einen Grund geben, weshalb man es in aller Verschwiegenheit tut.«
Mit beiden Händen hob Eadulf die Kugel in die Höhe, um sie von oben fallen zu lassen.
»Halt ein!«, rief eine durchdringende Stimme. »Keine Bewegung, wenn euch euer Leben lieb ist!«
KAPITEL 13
Heraklius, der junge Arzt, stand im Türrahmen. Blankes Entsetzen malte sich auf seinen
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