18 - Geheimagent Lennet und die Doppelgängerin
sich hin.
Lennet rief Graziella über Funk. »Alles klar, Nummer fünf?«
»Alles klar!«
»Überprüfen Sie bitte mal Mikro und Sender in ihrer Tasche!« Graziella legte das Funkgerät hin und meldete sich über den Minisender. »Hören Sie mich?« Der Sender war an einen Kopfhörer angeschlossen, lief aber gleichzeitig auch über einen Kassettenrecorder, der alle Gespräche aufzeichnete. Lennet hörte die Aufzeichnung ab, die störungsfrei und sehr klar war, und sprach dann in sein eigenes Mikrofon. »Das klappt ja alles wie am Schnürchen! Ich wünsche Ihnen viel, viel Glück. Ende.«
»Bis gleich", antwortete Graziella. Ihre Stimme zitterte nicht.
Graziella sprang aus dem Wagen. Die kühle Nachtluft jagte ihr Schauer über den Rücken. Noch immer summte ihr der Kopf von all den vielen Daten und Fakten, die sie sich in ein paar Stunden mühsam eingebläut hatte. Aber Angst hatte sie nicht.
Im Gegenteil! Endlich konnte sie die Feinde ihres Landes entlarven, endlich konnte sie etwas tun! Entschlossen steuerte sie auf das Haus Nummer 50 zu. Ohne zu zögern, öffnete sie die Tür und trat ein. Sie kannte sich aus.
Georgette hatte ihr alles genau erklärt. Wie eine gute Bekannte klingelte sie an der Wohnungstür. Sie dachte sogar daran, nicht allzu forsch auf den Knopf zu drücken, denn Georgette war schüchterner als sie. Sie atmete schneller. Sie mußte den Eindruck erwecken, als sei sie gerannt. Dann hörte sie innen ein Geräusch.
Alles kam genauso, wie Georgette es vorhergesagt hatte. Ein Mann in Zivil, aber mit militärischem Gehabe, öffnete die Tür.
Er hatte das wettergegerbte Gesicht eines Piraten. Ohne ein Wort zu sagen, führte er Graziella in einen Raum, der wie das Wartezimmer eines Zahnarztes aussah. Auf ein Zeichen von ihm setzte sie sich, und er ging. Das Zimmer wirkte kahl.
Nach wenigen Minuten kam der Pirat zurück und bedeutete Graziella, sie solle ihm folgen. Sie kamen durch ein Zimmer, in dem drei gefährlich aussehende Männer Karten spielten. Alle drei waren bewaffnet.
Das nächste Zimmer war offenbar ein Arbeitszimmer. Es war geschmackvoll und sündhaft teuer eingerichtet. Die Sessel waren aus feinstem Leder, der Schreibtisch ein antikes Stück, und an den Wänden hingen alte Meister, und zwar keine Reproduktionen! Das Arbeitszimmer hatte nur eine einzige Tür, und das war diejenige, durch die Graziella soeben eingetreten war. Zumindest sah es so aus. Aber dank Georgette wußte Graziella, daß eine der Vitrinen mit den kostbaren Elfenbeinschnitzereien einen Drehmechanismus besaß. Dort würde Monsieur herkommen.
Graziella setzte sich, und der Pirat verließ das Büro. Langsam verrannen die Minuten. Sie war ganz und gar ruhig.
Plötzlich sah sie, wie sich die Vitrine ohne einen Laut bewegte. Ein hochgewachsener Mann betrat das Zimmer. Er trug einen hervorragend geschnittenen dunkelgrauen Maßanzug.
Sein Gesicht war leicht gebräunt. Der schmale, gepflegte Oberlippenbart begann allmählich grau zu werden.
Graziella stand auf.
»Na, Mädchen, was war denn los?« fragte Oberst Bensani.
»Ich warte seit vier Stunden auf dich!«
»Ich bitte Sie vielmals um Vergebung", antwortete Graziella demütig, »aber wir sind verfolgt worden. Von zwei Autos.
Joseph wollte sie abhängen, und so sind wir aus Paris rausgefahren. Aber es hatte keinen Zweck. Wir konnten sie einfach nicht loswerden. Dann hat Saraf eine gute Idee gehabt - in einer Kurve habe ich mich unbemerkt aus dem Wagen rollen lassen. Joseph und Saraf sind weitergefahren. Die werden bestimmt noch immer verfolgt. Und ich bin mit dem Zug zurückgekommen.«
»Nicht schlecht", lobte der Oberst sie und strich sich mit dem Zeigefinger über den Schnurrbart. »Im übrigen habe ich vorhin dein zweites Interview gelesen. Sag mal, was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Dein Kosename sei Gra-Gra! Da ist dir wohl die Phantasie durchgegangen, was?«
»Entschuldigen Sie, Monsieur, aber das müssen die Reporter erfunden haben. Ich jedenfalls habe davon bestimmt nichts gesagt. Gra-Gra, so was Lächerliches!« Bensani faßte Graziella scharf ins Auge. Seit wann erlaubte Georgette sich Meinungsäußerungen? »Und jetzt", fuhr Graziella fort, »jetzt bin ich todmüde!«
»Sonst noch was Besonderes?«
»Nein, nichts, Monsieur.«
»Gut. Du kannst dich jetzt ein paar Tage lang ausruhen. Wenn mit Präsident Andronymos alles klargegangen ist, schicken wir dich nach Hause, nach Senegal.«
»Wollen Sie mich verstecken? Wo
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