18 - Geheimagent Lennet und die Doppelgängerin
Gruppen auf. Die erste Gruppe bestand aus Sosthene und Graziella; die beiden bestiegen Sosthenes eigenes Auto, einen knallroten Triumph; Gruppe Nummer zwei, Lennet, Gross und Poli, nahm den geliehenen Peugeot. Diesmal spielte Poli Chauffeur.
Es war zehn Uhr. Das Abendessen war etwas karg ausgefallen, denn außer den kärglichen Resten eines gebratenen Fasans hatten sie im Kühlschrank der Familie Valdombreuse nichts gefunden.
»Eine Delikatesse", hatte Gross gemurmelt, »aber das hält wohl nicht gerade lange vor. Aber was soll's? Vor dem Kampf sollte man sich sowieso den Ranzen nicht allzu voll schlagen!« Noch einmal waren Lennet Zweifel gekommen. Sollte er es wirklich wagen? Sollte er nicht doch lieber den FND einschalten? Aber er wußte selbst, daß es dafür zu spät war. Jetzt mußte er ins kalte Wasser springen; das war er sich und seinen Freunden schuldig.
Der Triumph fuhr gemächlich in Richtung Seine. Poli hielt den Peugeot immer im Abstand von hundert Metern hinter dem auffälligen roten Sportwagen. Doch plötzlich bog Sosthene rechts ab.
»He!« brüllte Lennet in sein Funkgerät. »He, Nummer zwei!«
»Hier ist Nummer zwei, ich höre", antwortete Sosthene ruhig.
»Ihr habt euch geirrt! Ihr fahrt in die falsche Richtung!«
»Wenn ich am Steuer sitze, irre ich mich nie!«
»Ja, wo wollt ihr denn hin? Die Loire-Schlösser besichtigen?«
»Aber keineswegs. Wir fahren zum Boulevard Jourdan.«
»Warum das denn?«
»Anordnung von Fräulein Andronymos. Wir holen ihr Kleid für den Empfang im Elysee-Palast.« Lennet war nahe daran, zu explodieren. Aber dann beruhigte er sich wieder. Wenn sie halt so an diesem Kleid hing...
Sicherlich würde sie es heute abend nicht mehr anziehen können, aber es gab auch keinen Grund dafür, ihr zu verbieten, es mitzunehmen. Sie hatten es nicht eilig: Monsieur wartete sowieso schon seit vier Stunden auf Georgette, und der FND hatte seit vierundzwanzig Stunden nichts mehr von Lennet gehört - da kam es auf eine Stunde mehr nun auch nicht mehr an. Und was Präsident Andronymos anging, der schlief in seinem Palast an der Ebenholzküste bestimmt schon den Schlaf der Gerechten. Doch da irrte Lennet sich ganz gewaltig.
Monsieur saß in der Wohnung in der Rue de Lilie und kaute vor Ungeduld an seinen Fingernägeln. Der FND fühlte sich entehrt, und der Präsident der Ebenholzküste schaute alle fünf Minuten auf die Pendeluhr neben dem Kamin; ihm blieb weniger als eine Stunde, um zu entscheiden, ob ihm das Leben seiner Tochter wichtiger war oder aber, ob die Interessen seines Landes den Vorrang hatten. Aber das konnte Lennet nicht wissen.
»Na gut", sagte er in sein Walkietalkie, nachdem er auf die Uhr geschaut hatte. »Aber Sosthene soll hochgehen und das Kleid holen. Wer weiß, was für eine Falle in der Wohnung noch aufgebaut ist.« Von Falle konnte zwar nicht die Rede sein, aber im Wohnzimmer saßen zwei Polizisten, die von Sosthene wissen wollten, was er dort suche.
»Meine Herren", sagte Sosthene höflich, »mein Name ist Sosthene Valdombreuse. Mein Vater ist Magistrat beim Appellationsgericht und Senator. Fräulein Andronymos ist eine gute Freundin unserer Familie. Sie hat meiner Schwester Alissia versprochen, ihr ein Kleid zu leihen. Meine Schwester ist heute abend in den Elysee-Palast eingeladen und hat nichts Passendes anzuziehen. Das ist eigentlich alles. Darf ich nun meinerseits um eine Erklärung Ihrer Anwesenheit hier bitten?« Die Polizisten erzählten ihm, daß Graziella verschwunden sei, überprüften seine Papiere und ließen ihn mit dem weißen Taftkleid ziehen. Ausgelassen hüpfte er die Treppe hinunter.
»Stellen Sie sich mal vor", sagte er Graziella, »da oben sitzen zwei Polizisten, die nicht im Traum daran gedacht haben, daß ich vielleicht ein Gauner sein könnte!«
»Kein Wunder, so wie Sie aussehen!« gab Graziella trocken zurück. »Trotzdem vielen Dank!« Ihre Höflichkeit holte Sosthene auf den Boden der Tatsachen zurück. Er hatte sich in die schwarze Schönheit verliebt, hoffnungslos verliebt, und wurde sogar mutig, nur, um ihr zu imponieren.
»Soll ich mit Ihnen in die Höhle des Löwen gehen?« fragte er.
»Auf gar keinen Fall", wehrte das Mädchen ab. »Mir ist schon so mulmig genug.« Bald darauf erreichten sie die Rue de Lilie. Die beiden Wagen parkten weit voneinander entfernt auf der dem Haus Nummer fünfzig gegenüberliegenden Straßenseite.
»Wir haben's aber heute mit dem Halteverbot", knurrte Poli vor
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