18 - Geheimagent Lennet und die Doppelgängerin
Plötzlich ging es nicht mehr weiter. Gross runzelte besorgt die Stirn, aber Poli schüttelte den Kopf. Er hatte die schweren Vorhänge schon bemerkt.
Nun waren die beiden Männer so weit, daß sie nicht mehr unbemerkt vorgehen konnten. Sie mußten ihre Methode ändern.
Jetzt ließ Poli Gross den Vortritt. Gross zog seine Pistole, prüfte, ob sie geladen und in Ordnung war, setzte sich auf das Fensterbrett, blinzelte Poli zu und ließ sich ins Zimmer gleiten, wo er sich hinter den dicken Vorhängen auf den Bauch fallen ließ.
Im selben Augenblick fielen zwei Schüsse, die den Vorhang in Mannshöhe durchlöcherten.
Gross war im ersten Zimmer der Wohnung gelandet. Dem Zimmer, das wie ein Wartezimmer aussah. An der Tür stand ein Mann und schoß auf das Fenster. Gross erwiderte das Feuer. Er traf den Mann zwar nur an der Schulter, aber auf die kurze Entfernung warf das großkalibrige Geschoß den Gegner sofort um.
Gross hatte sich schon wieder aufgerichtet und stürzte sich auf die Tür des zweiten Zimmers, in dem die Kartenspieler gesessen hatten.
Zwei Männer, die wie Piraten aussahen, stürmten auf ihn zu.
Gross ließ sich wieder fallen und schoß blindlings in Richtung der Männer. Plötzlich spürte er einen scharfen, heißen Schmerz im linken Arm. Er blickte auf und sah, daß er keinen der beiden Piraten getroffen hatte. Nun war es aus! Doch da breitete einer der beiden Männer plötzlich die Arme aus und fiel nach hinten um. Gleichzeitig hörte Gross hinter sich einen Knall: Poli war ihm gerade noch zur rechten Zeit mit seiner 7,65 zu Hilfe gekommen.
Der andere Pirat versuchte zu fliehen. Gross stand auf. Sein linker Arm pendelte hilflos am Körper herunter. Mit der rechten Hand griff er einen der großen Sessel, die im Zimmer herumstanden, und schleuderte ihn nach dem Mann. Der Pirat schoß auf den Sessel. Gross warf einen zweiten. Diesmal schoß der Pirat nicht mehr. Poli schnappte sich den dritten Sessel bei den Armlehnen und hob ihn über den Kopf. Mit diesem Schutz kam er durch das Zimmer auf den Mann zu.
Der Pirat zögerte den Bruchteil einer Sekunde, weil er nicht wußte, ob auch dieser Sessel nach ihm geworfen werden sollte.
Schon hatte Gross ihn im Visier. Er zielte auf den Kopf des Piraten. Da begriff der Mann, was los war, und schoß auf den Sessel. Der fiel herunter.
Gross drückte ab. Der Pirat stürzte zu Boden.
Poli stand vorsichtig auf. Er hatte einen Streifschuß an der Hüfte abgekriegt und hinkte.
Gross rannte zur letzten Tür. Dort war das Büro. Er hatte gerade noch Zeit, die gefesselte Graziella zu sehen, außerdem noch einen Piraten mit einer Pistole, dann einen eleganten Mann im grauen Maßanzug, der genüßlich an einer Zigarette zog, und einen dunkelhäutigen jungen Mann, dessen Hände auf dem Rücken gefesselt waren, und der sich in dem Moment nach vorne warf. Das war alles.
Denn in diesem Augenblick beugte sich der elegante Herr vor und drückte auf einen Knopf an seinem Schreibtisch.
Ganz plötzlich und mit einem gewaltigen Lärm trennte eine Wand aus Stahl das Zimmer in zwei Teile. Sie fiel von der Decke wie ein Hackmesser.
Poli schoß auf die Wand, aber die Kugeln prallten ab. Ein hämisches Lachen tönte von der anderen Seite zu ihnen herüber.
Im Büro des Militärattaches suchte Lennet währenddessen verzweifelt nach der Tür zu dem Geheimgang in die Rue de Lilie. Aber außer der Tür, durch die er hereingekommen war, gab es keine andere.
Systematisch klopfte er die Wände ab, obwohl er wenig Hoffnung hatte, daß es irgendwo hohl klingen könnte. Eine gut angelegte Geheimtür wird auch isoliert. Außerdem genügte es nicht allein, die Tür zu finden - er mußte auch den Öffnungsmechanismus ausfindig machen.
In der Zwischenzeit war der Nachtwächter schreiend auf die Straße gelaufen, nachdem er zuvor die ganze Botschaft aufgeweckt hatte. Das Personal summte durcheinander wie Bienen in einem hin und her geschüttelten Korb. Der Botschafter stand in einem seidenen Morgenmantel auf der Straße und schimpfte auf den Nachtwächter. Was das zu bedeuten habe? Die Bombe explodierte noch immer nicht. Langsam beruhigte sich der Portier und konnte dem Botschafter alles erklären.
»Natürlich!« rief der Botschafter wütend. »Da wollte jemand im Büro des Militärattaches ungestört schnüffeln!«
»Wir sollten die Polizei rufen", schlug eine ahnungslose junge Sekretärin vor, die über die merkwürdige Arbeitsweise der Botschaft nicht Bescheid wußte.
»Diese
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