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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie waren mir aber wie zwanzig Ewigkeiten.
    Da sah ich, daß die Milchstute müde wurde. Sie hatte eine doppelte Last zu tragen. Auch der Krumir fühlte es. Er beschloß, sie zu erleichtern, aber auf eine Art, die mir die Haare in die Höhe trieb. Seine Gestalt hatte mir bisher Mochallah verdeckt; jetzt sah ich, daß er, während er mit der Linken das Pferd lenkte, mit der Rechten die Fesseln löste, welche des Mädchen auf dem Tier hielten. Dann hörte ich einen Schrei voll Todesangst. Er hatte Mochallah aus dem Sattel gerissen und wollte sie vom Pferd schleudern; sie aber klammerte sich mit der Kraft der Verzweiflung an ihn; sie hing mit ihren Armen an seinem rechten Oberschenkel und wurde mit fortgeschleift. Da erhob er die Faust und schlug sie dem Mädchen auf den Kopf. Ihre Hände lösten sich von ihm; sie stürzte herab, nicht auf, sondern neben dem schmalen Pfad; ihre Füße fanden keinen Halt, das flüssige Salz gab nach, sie sank – nein, denn in diesem Moment schoß mein Pferd an ihr vorüber, ich bog mich tief herab und – erfaßte sie mit der Rechten am Oberarm. Ich hielt fest, und die Schnelligkeit des Rittes unterstützte die Kraft meines Armes; die leichte Gestalt des Mädchens beschrieb einen weiten Bogen durch die Luft und fiel quer über meinen Sattel nieder.
    Das war das Werk nur zweier Augenblicke gewesen. Hinter mir erscholl ein lauter, jubelnder Ruf; Achmed es Sallah hatte ihn ausgestoßen. Der Schimmel war erleichtert, und mein Rappe schien nichts von der vermehrten Last zu empfinden; die Jagd auf Leben und Tod ging weiter; aber wie lange noch war dies auszuhalten?
    Kein Zeichen, kein Steinhäufchen war zu sehen; nichts als wogende Salzfelder, kochender Sandschaum, spritzendes Wasser und fliegender Gischt.
    Da, da endlich bemerkte ich, weit vor uns einen dunklen Streifen; aber so entfernt er auch war, er kam bei unserer Schnelligkeit rasch näher. Gott sei Dank! Der Krumir hatte einen Weg eingeschlagen, der nur einen Teil der Sebcha abschnitt. Hätte er quer über den hier gegen dreißig Kilometer breiten Schott setzen wollen, so wären wir verloren gewesen. Eine Minute und noch eine verging; der Streifen war ganz nahe; noch wankte, schäumte und schwirrte der Boden unter uns – jetzt aber gab er einen harten, sichern Ton, und wir flogen über eine feste Kruste dem sichern Erdboden zu.
    „Allah 'l Allah!“ rief der Krumir.
    „Hussah, spring mit, Achmed!“ schrie ich.
    Mein Rappe flog wie ein Vogel über den breiten tief sumpfigen Rand hinweg, welcher die Salzkruste von festen Boden trennte, und gleich hinter mir landete auch Achmed glücklich. Unsere Pferde schossen noch einige Längen vorwärts, ehe sie zum Stehen kamen und – wo war der Krumir? Die Milchstute stak mit dem Hinterleib im Sumpf und mehrere Schritte vor ihr lag sein Körper regungslos im Sand.
    Wir stiegen ab und halfen zunächst dem Pferd heraus; dann traten wir zu dem Reiter. Die ermüdete Stute war zu kurz gesprungen, und der aus dem Sattel geschleuderte Krumir hatte, mit dem Kopf zuerst aufschlagend, den Hals gebrochen.
    „Gott sei seiner Seele gnädig!“ seufzte ich tief aufatmend.
    „Allah jenarhl al barrahsch – Gott verdamme den Aussätzigen!“ fügte Achmed hinzu und trat dann schleunigst zu Mochallah, welche ich auf den Sand gelegt hatte. „Sihdi, sie ist tot!“ rief er erschrocken.
    Ich untersuchte sie.
    „Sie lebt, sie ist bloß ohnmächtig“, erklärte ich ihm.
    Da nahm er sie in seine Arme und küßte sie auf Augen, Mund und Wangen, bis sie wieder erwachte. Unterdessen bekümmerte ich mich um die Pferde, welche mit schlagenden Flanken und weit geöffneten Nüstern daneben standen. Wir durften sie so nicht stehen lassen. Ich rieb sie kräftig ab und wandte mich dann wieder zu Achmed. Dem guten Kerl standen dicke Tränen im Auge; er wollte mit Mochallah sprechen, aber er erhielt keine Antwort. Sie hing wortlos an seinem Hals, und was wir hörten, waren nur unartikulierte Töne.
    „Schone sie, Achmed es Sallah!“ bat ich. „Sie hat zu viel gelitten, und die letzte halbe Stunde war fürchterlicher, als ein Weib ohne schwere Folgen ertragen kann.“
    „Ja, Sihdi, sie war entsetzlich! Oh, was ist el Areth, und was ist Abu 'l Afrid gegen diese Sebcha! Der Ruhh es Sebcha hat uns entkommen lassen, weil wir keine Sünder sind, aber den Krumir hat er doch zuletzt noch festgehalten. Möge seine Seele in der Dschehennah wohnen bei den Teufeln, die am schlimmsten sind! Ich werde diesen Ritt niemals

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