18 - Orangen und Datteln
gewesen, welches seinen rasenden Lauf hinaus auf das Salz fortgesetzt hätte. Ich mußte die Schlinge dem Falben um den Kopf werfen. Jetzt hatte ich den Krumir erreicht.
„Halt!“ rief ich.
„Hier, Scheïtan!“ antwortete er.
Er erhob die Hand mit der Pistole – mein Lariat flog, und auch sein Schuß krachte. Ich hatte mich augenblicklich zurückgebogen und mein Pferd zur Seite gerissen, um die Schlinge sich zusammenziehen zu lassen, und diese Bewegung rettete mir das Leben – die Kugel flog gerade vor mir vorüber. Da mein Schwarzer auf Lasso nicht eingeritten war, durfte ich ihn nicht plötzlich zum Stehen bringen, sonst wäre es umgerissen worden; ich zügelte vielmehr nur seinen Lauf; die Schlinge saß, der Falbe stieg empor und stürzte nieder.
Der Krumir hatte wohl noch nie einen Lariat gesehen; es entging ihm daher auch die Geistesgegenwart, mir durch einen Schnitt seines Messers zuvorzukommen, aber so gewandt war er doch, während des Sturzes sich aus dem Sattel zu werfen. Er erreichte unbeschädigt den Boden, und da er die Milchstute beim Zügel führte, wurde er von derselben eine Strecke mit fortgerissen; da aber stand sie; er sprang hinter Mochallah auf und jagte weiter.
Das alles geschah so schnell, als man es denkt, und ich konnte es nicht hindern, weil ich das Ende des Lariat an meinem Sattelknopf befestigt hatte und also mit dem gestürzten Falben zusammenhing. Ehe ich meinen Hengst wieder sicher hatte und das Messer zog, um das Lariat zu durchschneiden, saß der Krumir bereits auf der Stute. Einige Sekunden später schoß er auf die unter den Hufen seines Pferdes hell erklingende Salzdecke hinaus, ich hinter ihm her, ich dachte nicht an die Gefahren dieses Wagnisses, ich dachte nur an den, der pfeilschnell vor mir über die spiegelnde Fläche schoß – der Ruhh es Sebcha hatte mir gewinkt. Mir allein? Ich hörte hinter mir Hufschlag und blickte mich um. Herrgott, auch Achmed war auf dem Salz; seine Stute schoß hinter mir her! Der kurze Aufenthalt mit dem gestürzten Falben hatte es ihm ermöglicht, uns einzuholen!
„Kehre um!“ rief, – nein, schrie, – nein, brüllte ich.
„Allah akbar – Sihdi, ich verlasse dich nicht!“ hörte ich ihn antworten.
Ich konnte mich nicht weiter um ihn kümmern; ich hatte genug für mich zu tun. Bis jetzt war die Salzdecke fest und von gleicher Stärke gewesen, nun aber sah ich eine Reihe von Gmaïrs auftauchen, ein untrügliches Zeichen, daß die Gefahr beginne. Die bisher ebene Decke begann, sich wellenförmig zu heben und zu senken; die Höhen leuchteten metallisch, und in den Tiefen lag der tückische Flugsand – und über diese Höhen und über diese Tiefen sausten wir dahin. Der Boden erdröhnte, erzitterte, wankte, kreischte, knirschte und prasselte unter uns; er gab nicht mehr jenen vollen Ton, der so beruhigend klingt, sondern es war ein eigentümlich wimmernder, pfeifender Klang, bei dem einem die Zähne ‚eklig‘ werden konnten. Und darauf wurde es noch schlimmer. Die Wellentäler bekamen ein schwammiges Aussehen, fast wie geschmolzener Schnee; sie standen oft unter Wasser, welches über unsere Köpfe emporspritzte; ganz große Flächen wankten, schaukelten und kochten unter den dahinrasenden Hufen unserer Pferde; der Tod flog mit uns, vor, neben, unter uns. Ich verwandte kein Auge von Saadis el Chabir, den wir fangen wollten, und der doch unser Führer, unser einziger Chabir war, der uns retten konnte. Wo er sein Pferd emporgerissen hatte, tat ich ganz dasselbe; ich ahmte eine jede seiner Bewegungen nach und ließ meinen Rappen genau da auftreten, wo seine Stute aufgetreten war. Und so auch tat Achmed hinter mir. Es war der erschrecklichste Ritt meines Lebens. Ich befand mich mehr im Traum wie im Wachen; meine Pulse klopften, und meine Schläfen brannten; es war, als hätte mich das Fieber gepackt, als hetze ich mit dem wilden Jäger über haltlose, ineinander kumulierende Wolkenbalken dahin. Und längst waren ringsum die Ufer verschwunden; wir befanden uns inmitten eines grenzenlosen Verderbens, und jeder Schritt brachte mir die Überzeugung, daß wir unbedingt versinken würden, wenn die rapide Schnelligkeit unserer Pferde nur im geringsten nachließe. Die Salzdecke war stellenweise so dünn, so widerstandslos, daß sie den darüber fliehenden Huf nur einen Augenblick, nicht aber zwei Augenblicke lang zu tragen vermochte. Ich hatte keine Zeit, nach der Uhr zu sehen; wir mochten wohl zwanzig Minuten lang dahingeflogen sein;
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