18 - Orangen und Datteln
(Oliven-, Eichen- und Terpentinbäume), wirr durch-, unter- und nebeneinander. Und nun öffnete sich auch eine Art von Weg, der so breit war, daß zwei Pferde nebeneinander gehen konnten. Später führte derselbe über saftige Matten und zwischen sumpfigen Flächen hindurch, bis er an einem breiten, rauschenden Bach wieder emporstieg.
Bis hierher hatten wir uns alle sehr schweigsam verhalten, ein jeder nur mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Die meinigen waren auf die Gefahr gerichtet, in welcher wir uns bei jedem Schritt befanden. Mit drei Schüssen oder drei guten Speerwürfen konnten die hinter uns reitenden Kurden uns töten; aber sie mußten es meiner Haltung ansehen, daß dann wenigstens auch ihr neben mir reitender Anführer verloren sei. Dieser tat, als bemerkte er den Revolver gar nicht, den ich längst ganz aus dem Gürtel genommen hatte, und fragte mich nun nach langer Stille:
„Dein vollständiger Name ist Emir Kara Ben Nemsi?“
„Ja. Wer hat ihn dir genannt?“
„Die beiden Schirwani. Du bist der Fremdling vom Tal Deradsch. Er soll Löwen geschossen haben, ganz allein und mitten in finsterer Nacht?“
„Ja, mit der Büchse, welche du hier auf meinem Rücken siehst.“
„Warum führst du zwei Gewehre bei dir?“
„Das große hier ist für sehr große Tiere und sehr weite Entfernungen; das kleinere hier am Sattel nehme ich, wenn der Feind zahlreich und nahe ist. Ich brauche es nicht zu laden.“
„Solche Waffen gibt es bei uns nicht. Dein Volk muß ein sehr kluges sein. Man sagte mir, du seist ein Neßarah (Christ), und dennoch trägst du ein Hamaïl (Koran in einem Futteral) am Hals, wie es nur die Pilger tragen, welche in Mekka gewesen sind?“
„Ich verehre Allah und war in den heiligen Städten. Allah il Allah – Gott ist Gott, ob man ihn Allah oder Chodeh nenne. Ist es nicht so?“
„Es ist so. Kennst du auch den Propheten?“
„Ich kenne ihn. Es ist Mohammed, welches ‚der Gepriesene‘ heißt. Sein Vater war Abdallah Ibn Abd al Muthallib aus der Familie Haschern des Stammes Koreïsch.“
„Du bist ein guter Moslem, obgleich du aus dem Land der Nemtsche (Deutschen) kommst, welches ich gar nicht kenne. Du sollst bei mir sitzen und mir erzählen von fernen Ländern und von allem, was du erfahren hast. Siehst du die Nester dort rechts hoch oben am Berg?“
„Ich sehe sie.“
„Das sind unsere Jilaks, in denen wir wohnen, die Hitze des Sommers naht.“
„Du bist der Nezanum, der Scheich deines Dorfes. Hast du die Macht, einen Fremdling gegen die Deinen zu schützen?“
„Ich habe sie“, antwortete er stolz, doch schien mir der Ton seiner Stimme ein wenig unsicher zu sein.
Zugleich gab er seinem Pferd den Schenkel, so daß es rascher ausgriff, als bisher. Es schien mir, als ob er ähnlichen Fragen ausweichen wolle.
Um vom Zab bis hierher zu gelangen, hatten wir beinahe die Zeit von zwei Stunden gebraucht. Nach zehn Minuten sah ich einen Verhau von starken Stämmen, der sich quer über den Weg rechts und links in den Wald hineinzog – wir hatten das Dorf erreicht. Auf einen lauten Ruf des Anführers öffneten sich die schmalen Verhaue, durch welche wir einzeln einreiten konnten, und nun erblickte ich eine Halblichtung, welche sich bis beinahe zur Spitze des Berges emporzog. Auf ihr standen regellos die Hütten des Dorfes, welche eigentlich besser Blockhäuser zu nennen waren. Die bedeutendste von ihnen glich einer kleinen, aus Baumstämmen errichteten Festung. Auf sie ritten wir zu.
Es war ein eigentümliches Gefühl, welches mich dabei beschlich. So wie mir, mußte es einer Maus in der Falle zu Mute sein. Am liebsten wäre ich gleich wieder umgekehrt. Wie ich später hörte, war das Dorf von ungefähr dreihundert Seelen bewohnt, und alle, Männer, Frauen und Kinder, kamen jetzt herbeigeeilt, um den seltenen Fang, den die Ihrigen gemacht hatten, in Augenschein zu nehmen.
„Das ist mein Hani (Haus)“, meinte der Nezanum, indem er vom Pferd stieg. „Tretet mit mir ein!“
„Sage mir zuvor, daß ich dein Mivan (Gast) bin!“
„Habe ich dich nicht bereits meinen Freund genannt?“
„Ist bei den Kurden von Zibar Gast und Freund dasselbe?“
Er runzelte die Brauen.
„Ich bin dein Freund, das ist genug. Tritt ein!“
Ich erkannte, daß ich mich allerdings in einer Falle befand; aber was tun? Wir waren von zahlreichen Menschen umgeben, und selbst wenn wir uns mit unseren Waffen Raum verschafft hätten, so war das Verhau so hoch, daß es höchstens meinem
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