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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auch mir.
    „Gib mir deine Hand, und komm“, meinte sie hierauf, „ich will auch deinen Männern und Tieren geben!“
    Jetzt war ich wenigstens für den Augenblick vollständig sicher. Hätte sie nur von dem Rand des Brotes genommen, so konnte ich an dieser Sicherheit noch immer zweifeln. Als wir aus dem anderen Raum wieder zurückkehrten, hatte sich Hamsa Mertal aus seiner Ecke erhoben.
    „Geh“, gebot ich ihm, „und sage deinem Bav (Vater), was du gesehen hast! Wie heißt die Blume deines Hauses?“
    Bei den Kurden spricht man ungenierter von einem Weib als bei anderen mohammedanischen Völkerschaften.
    „Schefaka (Morgenröte)“, antwortete er.
    „So erzähle den Kriegern, daß ich unter dem Schutz der Morgenröte stehe und meine Waffen zu den deinigen gehängt habe! Sie können euer Haus betreten.“
    Ich hing meine Waffen an die Wand, griff in den Gürtel und zog eine jener Spiegelketten hervor, welche man in Paris für weniger als einen Franken kaufen kann. Ich hing sie der schönen Kurdin um den Hals.
    „Nimm, o Schefaka; möge der Glanz deiner Wangen und der Strahl deiner Augen immer auf diese Perlen leuchten!“
    Ihre Wangen röteten sich vor Entzücken.
    „Effendi, ich danke dir! Du sollst bei mir wohnen so sicher wie im Schoße Ibrahims, des Erzvaters. Erlaube, daß ich dir Trank und Speise bringe, und dann magst du ruhen und deine Augen ohne Sorge schließen.“
    Es geschah, wie sie gesagt hatte. Ich aß und trank und streckte mich dann zur Ruhe nieder. Als ich erwachte, herrschte tiefe Stille in dem Haus; draußen aber unter den Bäumen hörte ich eine laute Stimme, welche die Gläubigen aufforderte, al Asr (Nachmittagsgebet) zu beten. Ich hatte lange geschlafen, und niemand hatte es gewagt, meine Ruhe zu stören. Als ich die andere Abteilung betrat, lagen auch Halef und der Dscheside schlafend zwischen den Pferden. Ich ließ sie liegen, steckte die Revolver und das Messer zu mir und trat hinaus vor das Haus. Das Gebet war beendet, und viele Krieger saßen rauchend im Kreis. Meine beiden Wirte waren bei ihnen. Scheri Schir erhob sich und die anderen mit ihm. Sie alle gaben mir die Hände, und ich mußte mich zu ihnen setzen.
    „Was habt ihr über mich beschlossen?“ fragte ich den Nezanum.
    „Die Morgenröte leuchtet über dir“, antwortete er. „Du bist sicher, so lange du dich in unserem Dorf befindest.“
    „Ich danke dir! Ich werde auch dann noch sicher sein, wenn ich morgen das Dorf verlassen habe. Sieh das erste Blatt dort an dem Eichenzweig. Sechsmal werde ich schießen, und sechs Löcher werden in einer geraden Reihe im Blatt sein.“
    Ich zog den Revolver hervor und schoß. Nach dem sechsten Schuß sprangen alle auf. Das Blatt wurde abgeschnitten und ging aus einer Hand in die andere. Das Staunen dieser Männer läßt sich nicht beschreiben. Sie konnten die Sicherheit des Schusses ebensowenig begreifen, wie den für sie geradezu wunderbaren Umstand, daß ich zu schießen vermochte, ohne zu laden. Mein Ansehen wuchs ebenso rapid wir die Furcht, die sie vor mir empfanden. Nur nach langer Verwunderung nahmen sie ihre vorigen Plätze wieder ein. Hamsa Mertal holte mir eine Pfeife, und ich mußte nun erzählen, wie ich es ja seinem Vater am Morgen versprochen hatte. Die Unterhaltung wurde erst mit dem Mogreb (Gebet beim Sonnenuntergang) beendet, an dem ich mich beteiligte. Gott rechnet es dem Christen nicht zur Sünde, wenn dieser zwischen Mohammedanern zu ihm betet.
    Nachdem die hervorragendsten der Krieger zum Abendmahl eingeladen waren, kehrten wir drei in das Haus zurück. Meine beiden Begleiter waren mit dem Füttern der Pferde beschäftigt, und Schefaka erwartete uns mit dem Kahweh (Kaffee). Während wir rauchten und tranken, errichtete sie aus zwei Pfählen, einer Querstange und einigen Decken eine Art spanischer Wand, hinter welcher sie mit dem Kind verschwand. Nach einigen Augenblicken vernahm ich eine leises Flüstern und dann die helle, klare Stimme des kleinen Mädchens. Langsam und deutlich erklang es:
    „Tis – ti – tut – te – täch – tig – teit – tis – tei-tuk – tun – te – ten – teit – – –“
    Was war das?! Hatte ich richtig gehört, oder ließ meine Phantasie mir diesen kindlichen Stammellauten eine falsche Bedeutung geben? Kurdisch war das nicht, persisch, arabisch, türkisch auch nicht. Hatte ich nicht selbst ganz ähnliche Laute gestammelt, in den Armen der alten, lieben Großmama, wenn sie mich zu Bett legte, als ich

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