18 - Orangen und Datteln
Hengst gelungen wäre, darüber hinwegzusetzen; Halef und der Dscheside hätten zurückbleiben müssen. Und wenn wir einen Kurden töteten, so hätten wir selbst im Falle eines glücklichen Entkommens die ganze Meute hinter uns behalten. Mit der Blutrache ist zwischen diesen wilden Bergen nicht zu scherzen. Gewalt war also nicht am Platz aber Furcht zu zeigen, wäre ein ebenso großer Fehler gewesen.
„Wohl dir, wenn sich dein Wort bewährt“, antwortete ich. „Schreite voran!“
Ich stieg ab und nahm mein Pferd beim Zügel. Meine beiden Begleiter taten dasselbe.
„Die Pferde bleiben im Freien“, meinte Scheri Schir. „Es ist im Haus kein Platz für sie.“
Ohne die Pferde wären wir hilflos gewesen. Ehe ich meinen Rappen verließ, hätte ich ein Dutzend Kurden niedergeschossen.
„Die Pferde bleiben bei uns“, antwortete ich. „Vorwärts!“
Ich schob ihn zur Seite und trat in das Haus, mein Tier hinter mir herziehend. Halef und der Dscheside folgten mir. Das Erdgeschoß des Gebäudes glich so ziemlich einer deutschen Scheune mit Tenne und Pansen. Es war in zwei gleich große Abteilungen geschieden, von denen die zur rechten Hand als Versammlungs- und Beratungsort, die zur Linken aber als Wohnraum zu dienen schien. Kleine, rechteckige Löcher vertraten die Fenster. Eine Art von Hof konnte es nicht geben, da ich weiter keine Tür bemerkte. Die beiden Abteilungen waren durch ein dünnes Flechtwerk voneinander getrennt. Im Hintergrund führte eine Art von Leiter nach dem niedrigen Dachraum. Kein Zweifel, dieser Jilak war eine echte, rechte Mausefalle. Herein waren wir; das übrige mußte abgewartet werden.
Die erste Person, welche ich im Inneren des Gebäudes erblickte, war ein junges Kurdenweib. Sie trug eine türkische Hose, welche über den feinen Knöcheln zugefältet war und ein kleines, in Pantoffeln steckendes Füßchen sehen ließ. Eine blaue, gestickte Miederweste umschloß die Taille, und darüber fiel ein vorn offener Kaftan bis über das Knie herab. Das rabenschwarze Haar war in schwere Flechten geordnet, in denen Gold- und Silbermünzen glänzten. Die Frau war schön, sehr schön, am allerschönsten aber war das große himmelblaue Auge, welches sie halb neugierig und halb besorgt auf mich richtete. Auf dem Arm trug sei ein kleines, allerliebstes Mädchen, welches dieselben blauen Augen wie die Mutter hatte. Hinter ihr erhob sich ein junger Kurde vom Boden. Die Ähnlichkeit sage mir, daß er ein Sohn von Sehen Schir sein müsse. Er war der Mann des jungen, schönen Weibes.
„Ni, vro'l ker – guten Tag!“ grüßte ich.
Beide nickten schweigend als Antwort.
„Sallam aaleïkum!“ grüßte Halef arabisch. Das Kurdische war ihm nicht geläufig.
„Aaleïkum sallam!“ antwortete schnell die Frau.
Halef machte ein freudig überraschtes Gesicht.
„Wie? Du sprichst die Sprache des Koran und der wahren Gläubigen?“ fragte er.
„Ja“, antwortete sie.
„Hamdullillah, Preis sei Gott, denn nun brauche ich nicht stumm zu sein, wie die Pforte el Dschehennem!“
„Wer bist du?“ erkundigte sie sich.
„Wisse, du Rose dieses Tales, du Stern dieses Jilak, daß ich bin Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah, der Begleiter und Beschützer dieses großen Helden, der hier vor dir steht. Wir haben viele Taten verrichtet und große Abenteuer überwunden; dann sind –“
„Führt eure Pferde nach hinten!“ unterbrach ihn die scharfe Stimme des Hausherrn, welcher hinter uns getreten war.
Zugleich fing ich einen Wink auf, mit welchem er die Seinen bedeutete, uns nicht mit übermäßiger Freundlichkeit zu überschütten. Daher sagte ich ihm in ebenso scharfem Ton:
„Scheri Schir, du wirst dafür sorgen, daß diese drei Tiere Wasser und Futter erhalten. Aber merke dir, mein Diener wird jeden Kurden niederschießen, der es wagt, eines von ihnen anzurühren. Ich selbst werde als Gast deine Wohnung betreten, um mich auszuruhen.“
Nach einigen kurzen Weisungen an Halef trat ich links in den Wohnraum. Auf dem festgestampften Erdboden lagen längs der Wände dicke Stroh- und Binsenmatten, und in der Mitte der Hauptwand zeigte sich eine Erhöhung, welche mit einem Teppich belegt war. Das war jedenfalls der Ehrensitz, und ich zögerte keinen Augenblick, ihn einzunehmen. Meine beiden Gewehre dicht neben mich liegend, ließ ich mich in jene Stellung nieder, welche der Orientale Rahat otturmak, Ruhen der Glieder, nennt.
„Erlaube, daß ich dir deine Waffen
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