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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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begibt, den frißt sie auf mit Haut und Haar!“
    Selbstverständlich achtete ich nicht auf diese Warnung und ritt weiter. Die Rufe wurden ängstlicher; sie kamen näher. Als ich den Rand des Gesträuchs erreichte, sah ich das diesseitige Ufer als einen langen, schmalen Grasplan vor mir liegen, welcher rechts vom Fluß, links von der bewaldeten Höhe und vorn vor einem ähnlichen Gebüsch wie das hinter mir liegende begrenzt wurde. Dieser Plan war vielleicht achthundert Schritte lang. Eine weibliche Gestalt kam über denselben nicht gelaufen, sondern aus Leibeskräften gerannt und dabei immer um Hilfe rufend, als ob sie von einem feindlichen Wesen verfolgt werde. Und doch war, so weit mein Blick reichte, kein solches zu sehen.
    Die Frau war aus den jenseitigen Büschen gekommen und hatte sich von denselben schon vielleicht hundertfünfzig Schritte entfernt. Die Angst hatte sie zunächst grad vorwärts getrieben; nun aber wendete sie sich dem Fluß zu, um denselben zwischen sich und die Gefahr, welche hinter ihr lag, zu bringen. Da sah sie mich und Halef halten und lenkte rasch wieder in ihre vorherige Richtung ein, kam also noch immer unausgesetzt rufend auf uns zugerannt. Der Khawaß hatte sich doch bis an den Buschrand hinter uns hergewagt. Er sah die Frau und rief lachend aus:
    „Allahi, Wallahi, Tallahi! Dieses Weib ist verrückt. Sie schreit um Hilfe und befindet sich doch nicht in Gefahr.“
    Aber es zeigte sich schon im nächsten Augenblick, daß ihre Rufe nicht ohne Ursache waren, denn aus dem hinter ihr liegenden Gebüsch kam ein Hund geschossen, hinter ihm noch einer und wieder einer. Es waren riesige, graugefärbte, kurdische Windhunde von der Rasse, welche von den Kurden Tazi genannt wird. So ein Hund hat die Höhe eines großen Kalbes, besitzt zwar eine schlechte Nase, läßt aber, einmal auf eine Spur gesetzt, dieselbe nicht wieder fallen und ist darauf dressiert, demjenigen, auf den er gehetzt wird, die Gurgel zu zerreißen. Die Frau befand sich also in höchster Gefahr. Wurde sie von den Hunden erreicht, so war es um ihr Leben geschehen. Sie kamen in weiten, sprungartigen Sätzen hinter ihr her. Ich mußte ihr helfen und jagte ihr entgegen.
    „Halt ein, halt ein; um Allahs willen, halt ein! Die Hunde reißen dich vom Pferd und zerfleischen dich!“ rief mir der Khawaß nach.
    Ich achtete nicht auf ihn. Ich avancierte, um die Entfernung zu verringern und einen sicheren Schuß zu haben. Dann hielt ich an und nahm den Stutzen vor. Als ich ihn anlegte, stand mein Rappe wie eine Mauer; er wußte, daß ich schießen wolle und daß er sich nicht bewegen dürfe. Drei schnell hintereinander folgende Schüsse, und die Hunde, welche ich so schön von vorn aufs Blatt nehmen konnte, wälzten sich im Gras. Die Frau rannte dennoch weiter. Ich ritt ihr, von Halef gefolgt, entgegen und rief, als ich sie ziemlich erreicht hatte, sie an:
    „Bleib stehen! Du bist gerettet. Die Hunde sind tot.“
    Ich hatte mich des Kurmangdschi-Dialektes bedient, welcher wohl der ihrige war, denn sie verstand mich, hielt im Laufen inne, blickte zurück und rief, als sie die Hunde liegen sah:
    „Gheine Chodeh kes nehkahne – Gott ist allmächtig! Er hat mich errettet. Ihm sei Lob und Dank gesagt!“
    Ihr Atem flog so, daß sie diese Worte nur mit Unterbrechung hervorbrachte. Die beiden Hände auf die Brust legend, versuchte sie, sich zu beruhigen. Sie war nicht mehr jung, vielleicht vierzig Jahre alt; Falten, vielleicht mehr infolge der Sorge als des Alters, durchfurchten ihr Gesicht. Ihre sehr ärmliche Bekleidung bestand nur aus einem langen, hemdartigen, blauleinigen Gewand. Auf dem Kopf trug sie ein altes Schleiertuch, welches sich verschoben hatte, sonst wäre ihr Gesicht damit bedeckt gewesen.
    „Hattest du die Hunde erzürnt, oder hat man sie auf dich gehetzt?“ fragte ich.
    „Gehetzt, gehetzt!“ antwortete sie, noch immer atemlos. „Ich sollte von ihnen zerrrissen werden.“
    „Wem gehörten sie?“
    „Schir Seleki, dem Häuptling der Mir Mahmalli, der Räuber, der Mörder, welches keines Menschen, nicht einmal eines armen Weibes schonen.“
    „Womit hattest du denn diesen Mann erzürnt?“
    „Erzürnt? Er tötet, ohne zornig zu sein, denn der Mord ist ihm ein Vergnügen. Ich vermißte meine Ziege, meinen Liebling, von deren Milch wir leben, denn wir sind sehr arm und haben nur dieses eine Tier. Ich suchte sie und kam zum Fluß. Ich sah sie jenseits desselben und stieg ihr durch das Wasser nach. Eben wollte ich sie

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