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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihn zu behalten, und es bedurfte der wiederholten Hindeutung auf die Tenbihs des Walis, ehe er sich aus Angst vor der Strafe bereit finden ließ, uns Quartier und Essen zu geben und am nächsten Morgen für drei frische Pferde zu sorgen. Es stieg dabei die Ahnung in mir auf, daß es vielleicht noch schlimmer kommen könne. –

II
    Nicht aus Sorge für unser Wohlergehen, sondern aus Rücksicht auf sich selbst und auf die Ruhe seines Hauses machte der Wirt uns bemerklich, daß es geraten sei, uns nicht vor den andern Gästen sehen zu lassen. Er sagte, die Stube sei voller Pilger, welche während der Nacht hierbleiben würden, und brachte uns hinter das Haus in einen von vier halbverfallenen Lehmmauern umschlossenen Raum, den er seinen Gülistan, seinen Blumengarten, nannte. Es gab da einen ziemlich verdorrten Jasminstrauch, einen welken Zitronenbaum und – last, not least – eine Rose mit zwei Knospen und mehreren Würmern drin und Hunderten von Läusen auf den Blättern. Die eine Ecke dieses Gartens war durch eine alte, viel geflickte Leinwand abgesperrt und sollte wohl ein Zelt, eine Laube oder so etwas Ähnliches bedeuten. In einer andern Ecke stand eine solche Menge von Gras, daß ein einziges Kaninchen es in fünf Minuten hätte wegfressen können. Das also war ein türkischer Blumengarten. Vielleicht begeistert diese Beschreibung einen germanischen Dichter, ihn in vierundzwanzig Sonetten zu besingen.
    „Hier müßt ihr schlafen, wenn ihr unbelästigt bleiben wollt“, meinte der Wirt, indem er auf die Leinwand deutete. „Euer Gepäck werde ich bringen und dann auch Essen und Wasser besorgen.“
    Nach diesen Worten ging er fort, indem es ihm unmöglich zu sein schien, daß wir irgendwelche Wünsche haben könnten. Was mich betraf, so schlief ich in diesem famosen Gülistan ebenso gern wie drin im schmutzigen Haus, und der Kysrakdar dachte jetzt an nichts als an die Aussöhnung mit seinem Vater; alles andere war ihm gleichgültig.
    Nach kurzer Zeit brachte der Wirt die Sachen meines Gefährten geschleppt, die meinigen hatte ich bei mir, und dann das Abendessen. Dieses bestand ausschließlich aus einem trockenen und lederzähen Kuchen, welcher mit ranzigem Öl getränkt war. Das Wasser befand sich in einem Krug, welcher den Henkel und den halben Rand verloren hatte, was im Orient der Vollkommenheit bekanntlich keinen Eintrag tut. Während er uns diese Delikatessen präsentierte, sagte er in wichtigem Ton:
    „Seid froh, daß ich euch hierher gebracht habe! Soeben fragten die Arnauten wieder nach euch.“
    „Welche Arnauten?“ fragte ich, da mein Verdacht sofort rege war.
    „Die heute nachmittag gekommen sind. Sie fragten gleich nach ihrer Ankunft nach euch, besonders nach dir“, fügte er, zu mir gewendet, hinzu. „Sie sagten, ich solle dich nicht aufnehmen, denn du seist ein Christ und wolltest dich den Pilgern anschließen, um die heiligen Gebräuche kennenzulernen und dann später zu verhöhnen.“
    „Ein Christ bin ich, das ist wahr; aber eben gerade deshalb habe ich mit euern heiligen Gebräuchen nichts zu schaffen. Du hast diesen Arnauten nicht gesagt, daß wir angekommen sind?“
    „Nein, noch nicht.“
    „So hüte dich überhaupt, es zu tun! Wenn du plauderst, zeige ich es dem Wali an, dessen Empfehlung ich besitze. Wo befinden sich die Arnauten?“
    „Im Pferdestall, ganz hinten, wo das Futter liegt.“
    „So haben sie sich also versteckt?“
    „Ja.“
    „Ist dir das nicht ein Beweis, daß sie Schlimmes vorhaben und ein böses Gewissen besitzen?“
    „Nein, denn sie sagten, sie seien euch nachgesandt worden, um euch zu beobachten und nötigenfalls gefangenzunehmen.“
    „Das ist eine ungeheure Lüge, denn von diesem meinem Begleiter wissen sie eigentlich nichts, und mir sind sie von dem Wali zu meiner Bedienung mitgegeben, wie du aus meinem Tenbih ersehen kannst. Sie haben es aber vorgezogen, sich aus dem Staube zu machen, aus welchem besonderen Grund, das werde ich schon noch erfahren. Also sage ihnen nichts von unserer Anwesenheit, du könntest sonst in Strafe kommen. Und halte die bestellten Pferde zeitig bereit, da wir mit dem Frühesten wieder aufbrechen werden.“
    Er ging. Es war mir nicht etwa bange; es fiel mir gar nicht ein, vor den Arnauten das Hasenpanier zu ergreifen, aber nach dem, was mir geahnt und was ich wieder jetzt gehört hatte, trachtete ich danach, das Geld, welches ich bei mir trug, so bald wie möglich los zu werden. Darum wollte ich morgen den Ritt möglichst

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