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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kann, ohne Anstoß zu erregen. Der Buchhalter holt uns hier vom Schiff ab.“
    „Nun, und der Harem?“
    „Den soll ich auch sehen, nämlich nur die Zimmer, da es der Dame verboten ist, sich zu zeigen.“
    „Was habt Ihr davon, eine Wohnung ohne die Inhaberin zu sehen?“
    „Was habt denn Ihr davon, die Kunden des Barbiers anzugucken? Meine Kenntnisse will ich bereichern, gerade so, wie Ihr die Eurigen. Also, geht Ihr mit?“
    „Ja, aber nur um Euretwillen.“
    „Wieso?“
    „Es könnte eine Falle sein, und da muß ich helfen, Euch herauszubeißen.“
    „Pah! Dieser junge Buchhalter ist ein ehrlicher Mensch. Von einer Falle kann gar keine Rede sein, und übrigens' ist der Kapitän Frick Turnerstick nicht der Mann, sich fangen zu lassen.“
    Damit war die Sache abgemacht. Ich hatte orientalische Häuser genug gesehen, und es bewog mich nur die Sorge um die Sicherheit des Freundes, denselben zu begleiten.
    Am anderen Morgen kam der Buchhalter an Bord, ein junger Maure, dessen Erscheinung allerdings ganz vertrauenerweckend war. Er zeigte sich sehr höflich und bescheiden und erklärte, daß sein Schwager von dieser Besichtigung des Hauses allerdings nichts wisse, da er verreist sei, aber bei seiner Anwesenheit jedenfalls seine Zustimmung gern gegeben hätte. Diese Versicherung wurde mit solcher Überzeugung ausgesprochen, daß sie mich beruhigte. Wir gingen, doch steckte ich vorher einen Revolver zu mir.
    Unser Weg führte uns in eine Gasse, welche auf den Kasbahplatz mündete. Dort stand das Haus, dessen Straßenseite eine hohe Mauer bildete, deren einzige Öffnung die Tür war. Der Buchhalter bewegte den Klopfer, und gleich darauf wurden wir von einem Neger eingelassen. Ich sah, was ich erwartet hatte, das Innere eines Hauses, wie man es bei allen besseren orientalischen Häusern gerade so oder ähnlich findet.
    Diese Gebäude bestehen fast alle aus einem offenen, rundum von Stuben und anderen Räumen eingefaßten Hof, in dessen Mitte ein Brunnen steht. Der Unterschied besteht in der größeren oder geringeren Kostbarkeit der Einrichtung, in dem mehr oder weniger sichtbaren Verfall der Gebäude, der Typus aber bleibt ein und derselbe.
    So auch hier. Die Türen des Gebäudevierecks öffneten sich alle nach dem offenen Hof, dessen Brunnen Wasser gab, was höchst selten ist, da die Fontänen meist aus irgendeinem Grunde nicht mehr tätig sind. Die Möblierung der Stuben bestand aus Teppich und Sitzkissen; mehr verlangt der Orientale nicht. Da man rundum aus einem Zimmer in das andere gelangen konnte, so war es sehr leicht möglich, uns auch in die Wohnung der Frau den Zutritt zu ermöglichen; diese brauchte sich nur durch die nächste Tür zu entfernen, um uns während des ganzen Rundganges vollständig unsichtbar zu sein. Eine Treppe hoch gab es nur einige kleine Gelasse, welche von der Dienerschaft bewohnt wurden.
    Wir gingen also aus einer Stube in die andere und betraten endlich auch den Harem. Auch hier gab es außer dem Teppich, dem Diwan und einigen Ruhekissen nichts, was von Bedeutung gewesen wäre. Eine Stube war wie die andere; nur in den Farben zeigte sich die einzige Verschiedenheit. Aus der letzten Haremstube gelangten wir wieder in das Gemach, welches wir zuerst betreten hatten; wir waren rundum gekommen. Turnerstick wollte vollständig sein; er bat, auch nach oben gehen zu dürfen, und unser Führer willigte ein. Mir lag gar nichts daran, einige von Schwarzen bewohnte Kammern zu sehen; darum zögerte ich einen Augenblick, den beiden zu folgen. Da hörte ich hinter mir das öffnen einer Tür, und eine Kinderstimme sagte:
    „Nusrani, Nusrani!“
    Das heißt: ein Christ, ein Christ. Ich drehte mich um und sah unter dem jetzt offenen Eingang einen kleinen allerliebsten, ungefähr sechsjährigen Knaben stehen. Seine dunklen Augen blitzten mich förmlich an; seine Wangen waren gerötet, und um seine Lippen spielte ein unsagbar liebliches, schalkhaftes Lächeln. Welch ein Unterschied gegen die indolenten, trägen Kinder, welche man gewöhnlich im Orient sieht!
    „Karrib, ta'a lahaun – komm näher, komm hierher!“ flüsterte er mir mit ausdrucksvollem Mienenspiel zu, als ob er mir die größte Wichtigkeit der Welt zu zeigen oder zu sagen habe. Dabei krümmte er den kleinen Zeigefinger und winkte mit den kleinen Patschhändchen immer auf sich zu.
    „Komm du zu mir!“ forderte ich ihn auf, da er sich noch im letzten Zimmer des Harems befand.
    „Darf ich denn?“ fragte er, eifrig mit dem Kopf

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