18 - Orangen und Datteln
nickend.
„Natürlich darfst du.“
Da kam er herbeigehüpft, schlang beide Ärmchen um meine Knie und rief wieder:
„Nusrani, Nusrani – ein Christ, ein Christ!“
Ich liebkoste ihn und erkundigte mich:
„Weißt du denn, daß ich ein Christ bin?“
„Ja.“
„Von wem?“
„Von Kalada.“
„Wer ist das?“
„Mutter; sie hat euch gesehen.“
„Hat sie dich zu mir geschickt?“
„Nein; ich bin selbst gegangen, und sie ist fort. Komm, setz dich neben mich; ich will dir viel erzählen!“
Er zog mich nach dem Wanddiwan. Warum sollte ich dem allerliebsten Kerlchen nicht den Gefallen tun? Ich befand mich ja nicht mehr im Harem und konnte hier ebensogut wie draußen auf dem Hof die Rückkehr Turnersticks und seines Begleiters erwarten. Ich setzte mich also nieder. Der Kleine nahm auf meinem Schoß Platz und begann, sich mit sehr löblicher Beherztheit mit meinem Bart zu beschäftigen.
„Wie heißt du?“ fragte er.
„Nusrani“, antwortete ich. „Und du?“
„Asmar.“
Dieser Name bedeutet der Brünette und paßte sehr gut auf den Knaben. Der orientalische Schnitt seines Gesichts und der leicht angedunkelte Teint brachten mir die Worte der Heiligen Schrift, mit denen sie den späteren König David beschreibt, in Erinnerung: ‚ein Knabe, bräunlich und schön‘.
„Du mußt mich so nennen!“ fügte er hinzu. „Sage es!“
Ich nannte ihn beim Namen und hob sein Gesicht zu mir empor, worauf er seine Lippen mit meinem Schnurrbarte in jene streichende Berührung brachte, welche man beim Schärfen eines Rasiermessers beobachten kann, was jedenfalls einen Kuß bedeuten sollte. Leider wurde ich um den vollen Genuß desselben gebracht, denn ich hörte den Schrei einer Frauenstimme, und als ich aufblickte, stand dort an der Tür, welche nach dem nächsten, aber nicht nach dem Haremszimmer führte, ein junges, schönes Weib, die Augen halb erschrocken und halb in froher Überraschung auf uns gerichtet. Ihr Gesicht war unverhüllt; der Schleier hing über dem Hinterkopf herab. Die Haltung, welche sie jetzt zeigte, war diejenige einer Person, welche nicht weiß, ob sie fliehen oder sich nähern soll. Sie tat keins von beiden. Sie zog den dichten Schleier nach vorn, so daß ihre Züge nicht mehr zu erkennen waren, hob den Zeigefinger winkend empor und sagte:
„Asmar, bete!“
Der Knabe machte sich von mir los, stand auf, faltete die Hände und betete:
„Ja abana 'Iledsi fi' s-semevati jata haddeso 'smoka –“
Welch eine Überraschung! Das war ja das Vaterunser! War diese Frau eine Christin? Ich erhob mich auch vom Diwan. Sie mochte mir die Frage vom Gesicht ablesen, denn als der Kleine geendet hatte, sagte sie, als ob ich sie gefragt hätte:
„Ich bin keine Nusrana. Ich möchte es gern werden; aber ich darf nicht.“
„Wer verbietet es dir?“
„Mein Gebieter.“
„Ist er ein Moslem?“
„Der strengste, den es geben kann.“
„Wo hast du dieses Gebet, welches du dein Kind lehrtest, gelernt?“
„Oben auf dem Dach. Es stößt mit demjenigen des Nachbarhauses zusammen, und dort wohnte eine Fränkin, welche Nusrana war. Mit ihr habe ich täglich gesprochen, und sie erzählte mir alles, was sie aus der Heiligen Schrift wußte.“
„Und du hast es geglaubt?“
„Warum sollte ich nicht?“
„So ist es recht. Die einzige und ewige Wahrheit liegt im Worte Gottes, nicht aber im Koran und in den Schriften eurer Ausleger.“
„Ich weiß es, Herr, ich weiß es. Ihr Christen seid so ganz, ganz anders, als – – –“
Sie hielt inne, als ob sie etwas Unrechtes, Verbotenes habe sagen wollen, und fuhr dann fort:
„Nach längerer Zeit wollte ich meinem Gebieter diese heiligen Erzählungen kennen lehren; seitdem durfte ich nicht wieder zu meiner Freundin auf das Dach, und der Gemahl derselben mußte Tunis verlassen.“
„Wer zwang ihn dazu?“
„Mein Herr.“
„Hatte er die Macht dazu?“
„Ja. Was mein Gebieter will, dem stimmt der Herrscher von Tunis bei.“
Nach diesen Worten mußte Abd el Fadl, ihr Mann, ein Minister oder sonstiger hoher Ratgeber des Bei sein. Ich hätte es gar zu gern gewußt, doch scheute ich mich, sie zu fragen. Welch ein Unterschied! Sie nannte ihren Mann Herr und Gebieter, während sie denjenigen ihrer christlichen Freundin als Gemahl bezeichnete. Das charakterisierte die Stellung des christlichen und mohammedanischen Weibes auf das vortrefflichste. Wie aber kam es, daß diese Frau trotz der strengen Haremsregeln es wagte, bei mir zu verweilen
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