18 - Orangen und Datteln
stand noch an der Tür. Ich sagte ihm, daß ich seinen Herrn nicht gefunden hätte, und befahl ihm, demselben mitzuteilen, daß Abd el Fadl von unserer Anwesenheit nichts wissen dürfe. Dann begab ich mich in meine Wohnung zurück, die ich mit Turnerstick teilte. Vorhin war er nicht daheim gewesen; jetzt saß er da. Bei meinem Anblick sprang er auf und empfing mich mit den Worten:
„Willkommen zur Heimkehr, Charley! Gut, daß Ihr zurück seid! Ich habe ein prächtiges Unternehmen. Meine Geschäfte sind fast beendet, und nun will ich einen Ausflug machen, zwanzig Stunden weit zu Pferd. Macht Ihr mit?“
„Wohin?“
„Großartige Ruine, riesiges Amphitheater, Löwen-, Tiger- und Elefantenkämpfe wie zur Römerzeit!“
„Meint Ihr el Dschem?“
„Was? Ihr kennt das Dings?“
„Leidlich.“
„Sodann eine Riesenhöhle, leider jetzt verschüttet, aber immer noch des Ansehens wert.“
„Meint Ihr die Mahara er rad, Höhle des Donners?“
„Auch diese kennt Ihr?“
„Bin schon drin gewesen, damals, als ich von dem Krumirland aus nach Süden ritt. Vielleicht weiß ich, warum diese große Höhle plötzlich eingestürzt ist. Es gab da einen verborgenen Wasserfall, dessen Geräusch die Beduinen für Donner hielten; daher der Name der Höhle.“
„Prächtig, daß Ihr das so kennt! Da brauchen wir keinen Führer. Wir beide allein, gut bewaffnet, zwanzig Stunden weit durch die Stämme der Beduinen! Ihr macht also mit?“
Natürlich sagte ich ja. Es lag wie eine Ahnung in mir. Wie gerne hätte ich Kalada Hilfe gebracht! Ich hatte sie auf Gottes Güte verweisen müssen. Und nun kam dieser Vorschlag des Kapitäns. Wollten wir die Höhle und die berühmten Ruinen besuchen, so hatten wir ganz denselben Weg, den der Henker reiten mußte. Sollte das auch Zufall sein?
Turnerstick war über meine Zusage so erfreut, daß er sofort ging, um zwei gute Pferde und Proviant zu besorgen. Am nächsten Morgen waren wir zeitig reisefertig, durften aber nicht in den Sattel steigen, weil es in meiner Absicht lag, dem Henker einen Vorsprung zu lassen. Wir hörten, daß er mit Tagesanbruch fortgeritten sei, und brachen drei Stunden später auf.
Der gute Kapitän hatte sich den Ritt viel interessanter vorgestellt, als er in Wirklichkeit war. Sobald man Sfaks hinter sich hat, wird die Gegend flach, sandig und unfruchtbar. Nur selten gibt es ein fließendes Wässerchen, welches aber nach kurzem Lauf wieder im Sand verschwindet. An solchen Stellen wächst ein Gras, und es stellen sich Beduinen ein, um dasselbe abweiden zu lassen. Zwischen dem Bah feitun und dem Bah Merai ziehen sich Höhen hin, welche den Beduinen vom Stamme der Metelit gehören. Bei ihnen hielten wir an, und erfuhren, daß der Henker soeben erst mit seiner Begleitung vorübergekommen sei. Bald bekamen wir ihn in Sicht. Er hatte für sich und seine Frau mit dem Kind zwei Kamele; die Diener gingen zu Fuß. Nun machten wir, im Galopp reitend, einen weiten Umweg, um unserem Feind voranzukommen. Dabei trafen wir auf einige arme Selass-Beduinen, welche uns klagten, daß sie fortziehen mußten, da ein starker Panther ihre Herden dezimiere.
Nach einiger Zeit kam mir die Luft so eigentümlich schwer vor; es war, als ob man sie in die Luftwege hinabfallen fühle. Ich kannte das und wurde besorgt. Im Südwest begann der Himmel sich zu färben; es lag da eine Luftschicht, welche oben eine fahlgelbe und unten eine silberglänzende Farbe hatte.
„Das ist die Zaubaa el milh, der Salzsturm!“ rief ich aus. „Gebt Euerem Pferd die Sporen; dann sind wir in einer Viertelstunde in der Höhle.“
Turnerstick hatte noch nie etwas von einem Salzsturm gehört. Das ist der Wüstenwind, welcher über die Schotts streicht, seeartige Wasserbecken mit einer Salzkruste. Wird das Salz durch irgendwelche Einflüsse zerstäubt und vom Samum mit fortgenommen, so entsteht der Salzsturm, welcher höchst gefährlich ist. Das Salz dringt in die Augen und Ohren, in alle Öffnungen und Poren des Körpers; es sticht sich wie Nadelspitzen in die Haut und verursacht ein Brennen und Beißen, welches selbst den Löwen und Panther toll zu machen vermag. So einen Sturm sah ich kommen; die silberglänzende Luftschicht war salzhaltig, und die gelbfahle darüber bestand aus leichterem Wüstenstaub.
Noch hatten wir die Höhle nicht erreicht, so brach das Wetter los. Das war kein Orkan mit Heulen und Toben, sondern ein steter, gleichmäßiger Sturm, welcher mit schwerem Sausen über die Sahel strich. Im Nu
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