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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihnen ritten schneller als die übrigen auf den Scheik zu und parierten vor ihm ihre Pferde. Es waren seine beiden Söhne.
    „Hamdullillah“, hörten wir den einen rufen, „Preis sei Allah, der uns den größten der Räuber und Mörder in die Hand gegeben hat!“
    „Wer ist dieser Gefangene!“ fragte der Scheik.
    „Es ist Saadis, der Krumir. Allah inhal el Kelb – Gott verderbe den Hund, ihn und den ganzen Ferkah ed Dedmaka! Er hat Abu Ramsa, unsern tapfern Krieger, erschossen und einige von uns verwundert. Sein Name werde ausgelöscht, und sein Blut bezahle die Schuld, die ihn zur Hölle führt!“
    Dieser Gefangene also war der berüchtigte Krumir, von dem wir vorhin gesprochen hatten! Ich betrachtete ihn mir. Seine Hände waren an den hinteren Teil seines arabischen Sattels gefesselt, und beide Füße hatte man ihm mit Leinen gebunden, welche unter dem Bauch seines Pferdes hinliefen. Dennoch saß er aufrecht, stolz und kalt im Sattel, die schwarzen stechenden Augen scharf auf den Scheik gerichtet. Die niedrige Stirne mit den dünnen, borstenartigen Brauen, die spitzen Backenknochen, die dünne Habichtsnase, die wulstigen Lippen und das stark entwickelte Kinn gaben seinem Angesicht einen gefühllosen, grausamen Ausdruck.
    „Abu Ramsa ist tot? Wo ist er?“ fragte der Scheik.
    „Dort bringt man ihn.“
    Der Sprecher deutete dabei nach rückwärts, wo zwei Reiter sichtbar wurden. Sie führten zwischen sich ein Pferd, auf welchem die Leiche des Erschossenen festgebunden war.
    „Und wer ist verwundet?“ erkundigte sich der Scheik.
    Zwei der Reiter zeigten wortlos auf die Blutflecke, welche an ihren weißen Mänteln zu sehen waren.
    „Erzähle, wie ihr ihm begegnet seid!“ gebot Ali en Nurabi.
    Sein Sohn berichtete: „Wir ritten das Wadi Milleg hinab und machten am Fuhm-el-Hadschar (eine Felsenkluft; wörtlich: Mund der Steine) halt. Da kam dieser Nachkomme eines räudigen Hundes. Er saß auf seinem Pferd; seine Augen suchten wie die Augen eines Spions, und sein Ritt war wie der Gang eines Verräters. Da erblickte er uns und wandte sich zur Flucht. Wir aber waren bald bei ihm. Doch bevor wir ihn festnehmen konnten, hatte er den Gefährten getötet und diese zwei verwundet. Ed dem b'ed dem – en nefs b'en nefs (Auge um Auge, Zahn um Zahn); er ist der Blutrache verfallen!“
    „Ed dem b'ed dem – en nefs be'n nefs!“ riefen die Stimmen rund im Kreis.
    Der Scheik winkte Schweigen.
    „Die Versammlung wird über ihn beraten“, meinte er. „Hat er euch gestanden, wo sich die Seinigen befinden?“
    „Nein. Er hat kein Wort gesprochen. Sein Mund ist wie die Lippe des Todes, welche ewig schweigt.“
    „Die Spitzen unserer Speere und Messer werden ihm die Worte lehren, welche wir von ihm verlangen. Führt ihn zum Lager fort!“
    Während dieser kurzen Verhandlung hatte der Krumir mit keiner Wimper gezuckt und mit unverhohlener Bewunderung mein Pferd und dasjenige des Scheiks betrachtet. Sein Angesichts blieb unbeweglich, und als wir an den Herden vorüberritten, hielt er durch einen leisen Schenkeldruck sein Pferd an, um das aschgraue Reitkamel mit dem entzückten Auge eines Kenners zu mustern. Sein Schicksal schien ihm nicht die mindeste Sorge zu bereiten.
    Einige der Araber waren in das Lager vorausgeeilt, um die Kunde zu verbreiten, daß der gefürchtetste ihrer Feinde gefangen sei. Daher wurde unser Zug von der ganzen Bevölkerung unter lautem Jubel empfangen. Die Reiter schossen in kühnen Sätzen durcheinander, und die übrigen klatschten jauchzend in die Hände und gaben durch beleidigendes Mienenspiel und Ausspucken dem Gefangenen ihre Verachtung zu erkennen. Er bewegte keine Miene, selbst dann nicht, als man vor dem Zelt des Scheiks Anstalt machte, ihn von seinem Pferd zu lösen. Kaum aber war der letzte Knoten geöffnet, so schnellte er sich mit einem weiten Sprung herab, warf die Umstehenden beiseite und befand sich im nächsten Augenblick vor dem Nebenzelt, an dessen Eingang die Tochter des Scheiks stand. Im Nu hatte er sie ergriffen und wie einen Schild vor sich gestellt. „Dakilah ïa Scheik – Ich bin der Beschützte!“ rief er, und sofort sanken alle Hände, die sich nach ihm ausgestreckt hatten.
    Das war so schnell geschehen, daß es unmöglich verhindert werden konnte. In allen Gesichtern spiegelte sich die zornigste Überraschung, aber keiner wagte es, die Hand gegen den zu erheben, der das geheiligte Wort ausgesprochen hatte, welches selbst den schlimmsten Missetäter vor der

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