18
Frühstück und schaute mich an.
„Nimm es nicht schwer“, sagte sie. „Vielleicht fahren wir gar nicht fort. Oder nur kurze Zeit. Ein längerer Urlaub. Dein Vater hat viel gearbeitet.“
„Ich muss zu Schule.“
„Tims Vater hat angerufen. Er war ziemlich außer sich. Er sagte, dass auf dieser Fete am Freitag jemand seine Blumenbeete komplett umgegraben hat und dass er den Schuldigen finden würde. Er wollte dich sprechen. Wir haben uns Sorgen gemacht.“
„Er wird den Richtigen schon noch finden“, sagte ich und gab ihr einen Kuss und sie lachte. Manchmal wusste ich nicht, ob sie die Welt nicht mehr verstand, oder ob sie sie so gut verstand, dass sie nichts mehr tun brauchte als dazusitzen und eine Kaffeetasse festzuhalten. Sie haben sich Sorgen gemacht, hatte sie gesagt. Ich fuhr zur Schule und kam nur zehn Minuten zu spät zur zweiten Stunde. Alle saßen dort und grübelten über Aufgaben, und der Lehrer gähnte in der Stille und sah mich ebenso wie die anderen an, als ich die Tür aufriss. Ich entschuldigte mich, bekam einen Aufgabenzettel wie die anderen und sah, wie er im Klassenbuch die Zeit hinter meinem Namen eintrug.
Nach der letzten Stunde erhielt ich eine Einladung des Direktors, ein freundlicher älterer Herr, der für seine Schule lebte und eine phantastische Energie aus der Hoffnung bezog, dass genau er im Leben vieler Menschen etwas ändern könnte. Und zwar zum Besseren, soweit ich ihn verstanden hatte. Er wollte mich persönlich kennenlernen, und bei diesem Kennenlernen teilte er mir mit, dass ich zur Stärkung meiner sozialen Fähigkeiten bei der Planung des jedes Jahr stattfindenden Herbstfestes mitwirken sollte. Das Herbstfest war neben der Abschlussfeier die zweite große Sache im Jahresablauf der Schule. Zweimal im Jahr in der lokalen Presse. Es gab Blitzlichtphotos. Ich war ins Planungskomitee aufgenommen.
„Sie meinen mein Fehlen in der Mathestunde“, sagte ich.
„Du bist in der zwölften Jahrgangsstufe. Da muss man Einiges bereits verinnerlicht haben, auch im Benehmen. Du musstest doch schon einmal eine Klasse wiederholen. Irgendwann wirst du dankbar sein. Ein Mindestmaß an Pflichtgefühl.“
Ich hätte ihm sagen können, dass ich die Hausaufgaben frei erfunden hatte, dass ein Klassenkamerad sie abgeschrieben hat und ich es ihm nicht verwehren konnte, weil man das nicht macht - aus Pflichtgefühl dem Klassenkamerad gegenüber. Und dass kein Mathelehrer Schülern glaubt, dass sie haargenau die gleichen Aufgaben neu erfunden haben. Und dass ich also schwänzen musste, nachdem ich die Aufgaben einem anderen überlassen hatte. Ich sagte dem Direktor, dass ich mich über die Aufnahme in das Planungskomitee sehr freute.
Die nächste Versammlung des Komitees fand an einem Abend in der dann merkwürdig stillen Schule statt. Ich war spät dran und vorne stand schon ein pickliger Schüler, der etwas erzählte. Ich kannte niemanden im Raum außer Alessandra, die wohl die einzige aus meiner Jahrgangsstufe war. Alle anderen waren jünger. Ich setzte mich neben sie, und wir nickten uns zu. Der Picklige erzählte langatmig, dass Timothy schon seit Jahren das Herbstfest vorbereitet hätte. Anscheinend machte er so etwas seit dem ersten Tag seiner Einschulung. Leider, leider musste er dieses Jahr bereits für seine Klausuren des Abiturs lernen und hatte nur den groben Rahmen vorbereitet und wir hatten die schöne Aufgabe, die Drecksarbeit zu erledigen.
„Kennst Du Timothy?“, fragte Alessandra mich leise.
„Er ist ein schwacher Schüler“, antwortete ich. „Ich beispielsweise kann es mir durch meine fantastischen schulischen Leistungen erlauben, im Planungskomitee zu sitzen, und mich gleichzeitig durch die relevanten Klausuren zu quälen. Hast du eigentlich auch geschwänzt?“
„Es interessiert mich einfach, was hier eigentlich gemacht wird.“
Ich sah sie lange an, doch sie schaute geradeaus.
„Wir müssen einen Vorsitzenden wählen, dann den Stellvertreter“, sagte der Picklige. „Irgendwelche Vorschläge?“ Er hätte ein Bruder von Timothy sein können. Sein Nachfolger. Alle schauten auf den Boden oder aus dem Fenster. „Na ja.“ Der Picklige warf ein Stück Kreide in die Luft und fing es wieder auf. „Also bitte.“ Doch anscheinend waren die meisten anwesend, weil der Direktor den Eindruck hatte, ihre sozialen Fähigkeiten wären nicht genug ausgeprägt.
Alessandra meldete sich und erleichtert notierte der Picklige ihren Namen.
„Bist du verrückt?“,
Weitere Kostenlose Bücher