Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
18

18

Titel: 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Luengen
Vom Netzwerk:
kerzengerade auf und hielt ihr Glas hoch. „Die Leute haben jetzt Gesprächsstoff“, sagte sie. Wir schauten uns an. Sie war etwas stämmig und kleiner als ich, reichte mir bis zur Schulter. Ich bemerkte wieder ihren eng anliegenden Pullover und prostete ihr eilig zu. Wir tranken, und sie schaute mich dabei weiter an.
    „Technikbegeisterung“, sagte ich.
    „Das hatte ich ihm dringend geraten. Alles andere hätte keinen Zweck gehabt.“
    „Du hast es ihm vorher gesagt.“
    „Ihr Jungs habt keine Ahnung. Mich haben heute einige Freundinnen angesprochen, ob ich mit dir gehen würde. Was ist eigentlich mit Wiebke und dir?“, fragte sie abrupt.
    „Sie steht dort unten neben Frederick.“
    „Freundchen.“
    „Was ist die richtige Antwort?“
    Wir lehnten uns nebeneinander an die Brüstung und tranken Wein in kleinen Schlucken. Nach einer Weile sagte sie: „Ich habe noch zwei Schwestern, Zwillinge. Ich bin die Älteste. Ich vermute jetzt einmal, dass du ein Einzelkind bist, und ich bin mir sicher, dass du bei deinen Eltern wohnst, und ich denke, dass du noch nie im Leben Verantwortung übernommen hast. Die Mofafahrt war die erste Tat in deinem Leben. Ihr wohnt alle in dieser neuen Siedlung im Westen oder?“
    „Alle.“
    „Wir wohnen am Bahnhof, im gleichen Haus wie Pat übrigens. Meine Schwestern teilen sich ein Zimmer. Ich habe ein eigenes Zimmer. Ich glaube nicht, dass Zurückhaltung mir jemals im Leben geholfen hat.“
    „Niemand sucht sich seine Probleme aus. Ich glaube kaum, dass es mir helfen würde, jetzt mit zwei Brüdern im gleichen Zimmer zu hocken. Woher soll ich wissen, was mit Wiebke ist?“
    „Ich wehre mich, verlass dich drauf.“ Sie sah mich rauflustig an und ich hatte Sorge um meine Arme, die einen weiteren Boxhieb abbekommen könnten. Ich rückte etwas weg und sagte: „Ohne dich hätte ich die Sache heute nicht gemacht.“
    „Wir haben alle Mitleid mit dir.“ Sie rückte näher an mich ran.
    „Kennst du die Szene, wo der Olympiasieger beim Abspielen der Nationalhymne den Kopf senkt und die Faust nach oben streckt?“, fragte ich.
    „Ein Schwarzer. Mexiko, 1968. Tommie Smith, Gold über 200 Meter. Noch keine zwanzig Jahre her.“
    „Ein Schwarzer. Widerstand. Große Gesten. Jeder sollte ein Bild davon mit sich tragen. In sich tragen.“
    „Mofafahrten über die Bühne von Schulpartys.“
    Ich stand auf und kletterte auf die Brüstung. Unter mir wuselten Leute durcheinander. Ich stellte mich aufrecht hin, so gut es ging, streckte die Faust in die Luft und senkte den Kopf. Niemand dort unten beachtete mich. „Sollen wir woanders hingehen?“, fragte Alessandra hinter mir. „Ich denke, Widerstand ist immer abhängig von der Umgebung.“ Sie hielt mich mit einer Hand hinten am Hosenbund fest, während sie ihr Glas leerte.
    „Wohin?“, fragte ich und löste mich aus meiner Pose. Mit etwas Glück schaffte ich den Sprung neben Alessandra rückwärts von der Brüstung hinunter. Sie atmete hörbar erleichtert aus und ging vor mir her durch die Glastür in das Schulgebäude. Als sich die Glastür hinter uns schloss, trat Stille ein. Wir gingen den von der Notlampe dämmerig beleuchteten Gang hinunter, links und rechts die vertrauten Backsteinmauern mit Türen und den Namen. „Sieht im Dunkeln alles ganz anders aus“, sagte ich und nahm einen Schluck aus der Flasche. Aus einem Flurfenster konnte ich die Scheinwerfer von Autos sehen. „Früher habe ich mir immer vorgestellt, mit einem Mädchen allein in einem dunklen Raum zu sein“, sagte ich und schaute an die Decke.
    „Das glaube ich dir. Und dann passieren dort tolle Sachen. Küsse und so.“ Und sie lachte.
    „Was würdest du tun, wenn ich dir sagen würde, dass ich dich liebe?“, fragte ich.
    „Einen Schritt schneller gehen. Außerdem bist du betrunken, und ich würde es dir nicht glauben.“
    „Alle Mädchen in unserer Stadt sind so energisch. Nichts ist mehr wie früher“, sagte ich.
    Sie sprang die Treppe zum Erdgeschoss hinunter, ich reichte ihr den Generalschlüssel, und durch einen Notausgang gelangten wir ins Freie. Es war eine milde Nacht und der Parkplatz vor der Aula war voller Menschen, die in Grüppchen zusammenstanden, erzählten, rauchten und lachten. Einige hielten Gläser in der Hand, und manchmal klirrte es. Hinten im Dunkeln übergab sich einer, und sein Kumpel stand in ebenso erbärmlicher Verfassung neben ihm und schlug ihm auf den Rücken.
    Wir gingen die Autoreihen entlang, und ich erkannte Onkel Hanks

Weitere Kostenlose Bücher