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also“, sagte ich.
„Mein Familie. Ich bin hier in diesem Raum aufgewachsen wie andere in einem Kinderzimmer. Es ist gut, dass du es siehst.“
„Dein Vater kennt mich. Beobachtet mich seit längerem.“
„Natürlich. Er kannte dich von Anfang an.“
„Von Anfang an.“ Ich aß meine Pizza und trank etwas Wasser und betrachtete die Lebensmittelpackungen und Geräte aus Edelstahl. Alessandra aß ihren Salat und erzählte Geschichten von ihren Schwestern und von den Italienern draußen. Sie sagte, dass sie sich hauptsächlich über das Wetter unterhalten würden. Immer das Wetter in Italien und in Deutschland. Manchmal Fußball oder Lotto. Eine Hausfrau hat sieben Millionen im Lotto gewonnen. Ich lehnte mich zurück. Alessandra stocherte in ihrem Salat und schob ihn schließlich fort.
„Es ist Heimat“, sagte ich.
Irgendwann erhob sie sich und verschwand. Ich blieb allein in dem Raum sitzen, goss mir noch Wasser ein und fischte die Oliven aus Alessandras Salat. Ihr Vater kam herein und berührte meine Schulter und setzte sich auf den leeren Stuhl. Er trank ebenfalls ein Glas Wasser. „Sie hat mir von dir erzählt. Sie sagt, du wärst, wie soll ich sagen, ständig in Bewegung. In deinem Kopf und mit deinen Füßen. Alles passt noch nicht zusammen, ob du nun willst oder nicht.“
„Das hat Alessandra gesagt.“
„So ungefähr. Aber so sind alle jungen Leute. Auch Alessandra. Sie ist nur zu stolz, um es zuzugeben. Manchmal verläuft sie sich, und dann kommt sie hierher und sitzt auf diesem Stuhl, und dann weiß sie ungefähr wieder, wo sie sich befindet, doch sobald sie draußen ist, huiiiii, dreht sich alles und ist aufregend und ... Ja das ist gut so bei den jungen Leuten, dann fällt es ihnen später nicht mehr so schwer. In spätestens einem Jahr muss ich diesen Imbiss hier schließen, der Pachtvertrag läuft aus, und irgendwas wird hierher gebaut. Vielleicht auch schon früher. Und in den zwanzig Jahren, die ich hier Pizzen verkaufe, habe ich das Laufen fast verlernt. Meine Frau und ich werden zurück nach Italien gehen, um das Laufen wieder zu lernen.“
„Da können sie sich mit meinen Eltern zusammentun. Die wollen auch in den Süden. Alle Deutschen wollen in den Süden.“
„Egal was kommen wird: Alessandra ist meine Tochter. Es wird keine Spielereien geben.“ Er sah mich eindringlich an und ich nickte ernst. Ich überlegte, ob mein Vater auch Alessandra eindringlich anschauen und betonen würde, dass es keine Spielerein gebe würde.
„Geht Alessandra mit nach Italien?“, fragte ich.
„Wer weiß? Sie kann sich frei entscheiden. Sie kann in Deutschland laufen, und sie kann in Italien laufen. Ihre Mutter ist Deutsche, wie Du weißt. Alessandra glaubt, dass ich sie vor ihren Schulkameraden in Schutz nehmen will. Gerade das Gegenteil will ich. Wir haben Glück. Sie ist sehr tapfer. Aber sie hat noch zwei Schwestern. Vielleicht gehen wir gar nicht nach Italien. Ich komme aus Turin. Aus der Nähe von Turin. Dort sind die Leute preußischer als die Deutschen. Ich kann also auch hier bleiben, wenn ich Italien haben will.“
„Vielleicht gehen meine Eltern auch nicht. Sie wollen bloß nicht mehr so viel arbeiten“, sagte ich.
„Letztendlich läuft alles aufs Wetter hinaus“, erwiderte er.
Im Laden tickte jemand mit einer Münze auf die Theke. Alessandras Vater erhob sich und ging in den Laden. Ich trank noch einen Schluck Wasser. Nach einiger Zeit erschien er wieder.
„Ich würde gerne hier in ihrem Laden arbeiten. Nachmittags nach der Schule. Ich will wissen, wie der Laden funktioniert“, sagte ich.
Es regnete stark und ich parkte meinen Wagen in der zweiten Reihe. Ich lief mit einem Schirm zur Haustür des Backsteinhauses. Ich klingelte bei Alessandras Eltern und wartete. Die Tür öffnete sich und heraus kam nicht Alessandra, sondern Pat. Ich starrte ihn an. “Was machst du denn hier?“, fragte ich.
„Immer diese Überfälle. Ich wohne hier, wenn’s recht ist. Die Miete für nächsten Monat ist schon bezahlt.“ Er lachte und klopfte mir auf die Schulter. „Ich weiß, dass du zu Alessandra willst.“
Er verschwand im Regen, kein Schirm, keine Kapuze. Alessandra trat aus dem Haus. Sie trug einen schwarzen Rollkragenpullover, schwarze Jeans und schwarze Turnschuhe. Auf dem Kopf hatte sie eine Strickmütze, unter der ihre schwarzen Haare hervorlugten. Sie sah verdammt gut aus. Ich nahm ihre Tasche und wir rannten unter dem Schirm zum Wagen. Bevor sie einstieg, umarmte ich
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