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Wagen an den riesigen Zusatzscheinwerfern, die wie Fühler von der Stoßstange abstanden. Onkel Hank liebte so etwas. Als wir näher kamen, sah ich, dass der Wagend leicht schaukelte. Ich schielte zu Alessandra hinüber und sie hatte es auch bemerkt. „Das ist Onkel Hanks Wagen“, sagte ich.
„Anscheinend ist er nicht allein zuhause“, erwiderte Alessandra.
Wir marschierten aus dem Schulgelände hinaus, dann die Straße hoch Richtung Bahnhof. Ein leichter Wind kam auf, und als ein Taxi uns überholte, winkte ich und rief. Es hielt an, wir öffneten die Türen und stiegen ein. Alessandra nannte ihre Adresse. Das Taxi fuhr los, und auf einmal war alles leise und schnell. Ich sah, dass sie ein wenig zitterte. Es wäre eine Leichtigkeit gewesen, meinen Arm um sie zu legen. Ich beugte mich nach vorne zum Fahrer. „Könnten Sie die Heizung einschalten? Wir frieren etwas.“ Er brummte etwas vor sich hin, doch er tat es. Alessandra grinste und sagte: „Du hättest es ruhig machen können.“
Wir erreichten den Bahnhof, stiegen aus, ich bezahlte das Taxi, es fuhr davon die Straße runter. Ich brachte Alessandra noch die paar Meter zum Hauseingang. Es war ein alter Backsteinbau.
„Vielen Dank“, sagte sie.
„Waren deine Eltern nicht auf der Veranstaltung?“, fragte ich.
„Nein. Sie müssen heute Abend arbeiten.“
„Gute Nacht.“
„Gute Nacht.“ Sie schloss die Haustüre auf, winkte kurz und verschwand.
Am nächsten Abend traf ich Onkel Hank im Fisch. Er erklärte mir mehrmals, wie kompliziert es gewesen sei, den Vorhang rechtzeitig aufzuziehen.
„Du bist ein Held, Onkel Hank.“
„Ich musste ihn aufziehen. Zu beiden Seiten. Ihr hättet hängen bleiben können.“
„Für deine Tat bist du reich entlohnt worden. Der beste Auftritt seit 1968. Tommie Smith.“
„Hat der gesungen?“
„Ich glaube nicht. Und Iris und du, seid ihr bald abgefahren?“
„Weiß nicht. Irgendwann sind wir gefahren.“
„Gefahren“, sagte ich. Wir tranken noch ein Bier und Onkel Hank machte sich Sorgen, dass seine Eltern bald einen Brief vom Rektor bekommen könnten. Ich sagte nicht, dass Alessandras ‚Technik-Begeisterung’ uns gerettet hatte. Ich erhob mich nach einiger Zeit und drängelte mich durch zum Zimmer ohne Fenster. Im Dunkeln sah ich schemenhaft die besetzten Sessel und tastete meinen Weg zur Toilette. Als ich mich auf dem Rückweg wieder zwischen den Sesseln durchschob, kam von links unten eine Stimme aus einem Sessel. „Hallo, mein Lieber. Ich wusste, dass du heute Abend im Fisch sein würdest. Ich wusste aber nicht, dass es so lange dauert, bis du endlich auf Toilette gehst.“
„Hallo Alessandra“, sagte ich.
Als wir das Knutschzimmer verließen, war Onkel Hank schon lange nicht mehr da. Wir gingen Hand in Hand die Promenade hinunter. Wir kamen zu der Stehpizzeria in der Leiendeckerstraße, in der ich immer meinen Kaffee trank, wenn ich zu Fuß unterwegs war.
„Magst Du einen Kaffee?“, fragte ich Alessandra.
„Mach Dich auf was gefasst“, entgegnete sie und betrat schwungvoll den Laden. Zu der späten Stunde standen nur noch zwei ältere Italiener an einem Tisch und grüßten Alessandra freundlich wie eine alte Bekannte. Der Chef trat durch den Vorhang nach vorne, und Alessandra ging an mir vorbei zu ihm und umarmte ihn und sagte: „Hallo Papa.“ Und er sagte: „Hallo mein Kind.“ Sie wechselten einige Worte auf Italienisch. Das alles war einigermaßen neu für mich. Alessandra sah mich an und sagte: „Das ist mein Vater, das ist Semme.“ Und wir schüttelten uns die Hand.
„Wir kennen uns. Vom Sehen. Viertel Pizza. Kaffee. Glas Wasser“, sagte er und bat Alessandra und mich durch den Vorhang nach hinten. Er verschwand wieder nach vorne. Wir standen in einer kleinen Küche mit einem Pizzaofen und allerlei Geräten und Utensilien aus Edelstahl. Die Wände waren gelb gestrichen. In der Mitte stand ein grüner Küchentisch mit Plastiktischdecke. Wir setzten uns auf die Stühle.
„Dein Vater“, sagte ich.
„Früher habe ich oft im Laden geholfen, jetzt meint er, dass ich das nicht mehr tun sollte. Ich soll meinen Schulabschluss mit guten Noten schaffen. Doch wahrscheinlich möchte er einfach nicht, dass Leute aus der Schule mich hier sehen.“
Ihr Vater kam wieder und stellte Alessandra einen Teller Salat hin und mir ein Viertel Pizza und eine Flasche Wasser und zwei Gläser. Er wünschte einen guten Appetit und verschwand wieder nach vorne. Wir aßen.
„Dein Vater
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