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180 - Die Enkel der Astronauten

180 - Die Enkel der Astronauten

Titel: 180 - Die Enkel der Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell und Mia Zorn
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gegenüber wenigstens eine halbwegs würdevolle Haltung einzunehmen. Sich aus dem Netz zu befreien, versuchte er erst gar nicht. Er hätte sich nur noch tiefer in dessen Maschen verstrickt.
    Die Große Marsha beugte sich vor, stützte die Unterarme auf die Knie und faltete die Hände. Das Goldkreuz baumelte zwischen ihren Armen. Ihre fast schwarzen Augen belauerten Matthew Drax aus einem dicken schwarzen Gesicht voller Sorgenfalten. Der Mann aus der Vergangenheit wich ihrem Blick nicht aus.
    So vergingen lange Sekunden, vielleicht sogar Minuten.
    »Ich habe nachgedacht«, sagte die schwergewichtige Frau schließlich. »Und heute Nacht bin ich noch einmal durch deine Gedankenwelt gewandert.« Ihr Bass rollte.
    »So gut es eben ging. Du bist ein komischer Kerl, ja, ein wirklich komischer Kerl.«
    Matthew antwortete mit keinem Wort. Die Große Marsha räusperte sich. »Nun ja, unsere Urmutter ist einst vom Himmel zu uns herab gefahren. Das geschah nur wenige Stunden nachdem der Feuerstern auf diese Welt stürzte und Tod und Nacht und Winter brachte. Ein guter Geist schickte uns die Urmarsha, um uns zu trösten in diesem Unglück, und um uns den Weg zu einem Neuanfang zu zeigen.«
    Drax entschloss sich, sein Schweigen zu brechen – die Neugier gewann die Oberhand. »Fiel sie in dem Gerät vom Himmel, dessen Spitze auf dem Dach deines Hauses steht?«
    Sie runzelte die schokobraune Stirn. »Hat dir Cantalic nicht beigebracht, wie man die Große Marsha anspricht?«
    »Ich bin Commander Drax, Offizier der ehemaligen United States Air Force. Erweisen Sie mir Respekt, dann werde ich dasselbe für Sie tun.«
    Ihre Augen wurden schmal, ihre Miene verfinsterte sich. Sie hörte nicht auf, ihn zu fixieren. Schwerwiegende Gedanken schienen ihr durch den Kopf zu ziehen. »Also gut, Commanderdrax, Kerl. Um es kurz zu machen: Ich weiß jetzt, dass auch Sie vom Himmel gefallen sind, und ich bin nicht sicher, ob es nicht ein Fehler wäre, Sie zu töten.«
    Erleichtert atmete Matt auf. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. »Sicher«, fuhr die Große Marsha fort, »es fallen nicht nur gute Dinge vom Himmel. Unserer Urmutter ging ja auch der Feuerstern voraus. Es könnte durchaus ein böser Geist sein, der Sie aus dem Himmel zur Erde geschickt hat.«
    »Hören Sie, Warqueen«, sagte Matt Drax. »Als der Komet auf die Erde fiel, flog ich in einem Ding ähnlich dem, das bei Ihnen auf dem Dach steht. Ich stürzte durch einen Riss in der Zeit und landete in einem Eisgebirge, weit weg von hier. Ich komme also aus derselben Zeit wie Ihre Urmarsha!«
    Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, ihr von den Aufzeichnungen jenes französischen Astronauten zu berichten, die er mehr als vier Jahre zuvor auf der ISS gefunden hatte und in denen eine gewisse Marsha Hunt erwähnt wurde. Er ließ es bleiben.
    Die Geschichte hätte dieses kriegerische Weib überfordert. Für ihn selbst allerdings war nun klar, dass er an die Nachkommen jener Astronauten geraten war, die kurz nach der Katastrophe des Jahres 2012 von der ISS zur Erde zurückgekehrt waren. Dunkel erinnerte er sich, dass in den Aufzeichnungen Australien als Ziel erwähnt worden war.
    »Was Sie da erzählen, übersteigt die menschliche Vorstellungskraft.« Die Große Marsha schien ihre Fassung wieder gewonnen zu haben. »Doch wir wissen, dass die dunklen kosmischen Geister ähnliche Wunder vollbringen wie die Geister des Lichts. Ich muss die Geister selbst entscheiden lassen, ob Sie zur Dunkelheit oder zum Licht gehören, Commanderdrax, Kerl.«
    Matthew Drax stockte der Atem. »Und wie?«
    »Sie werden gegen einen Menschen kämpfen, bei dem mich dieselben Zweifel plagen. Wenn Sie siegen, soll das ein Zeichen des guten kosmischen Geistes sein. Dann werde ich Ihnen vertrauen, und Sie sind frei.«
    »Und wenn ich unterliege?«
    »Dann müssen mich keine Zweifel mehr plagen, denn dann werden Sie erstens tot sein, und zweitens werde ich endlich wissen, dass Ihr Gegner unschuldig ist.«
    »Und wer ist mein Gegner?«
    Die Große Marsha senkte den Kopf und schwieg eine Zeitlang. »Meine Tochter Blackdawn«, sagte sie schließlich. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen.
    In diesem Augenblick war sie weiter nichts als eine traurige alte Frau. »Anders als ihre Schwester Cantalic ist Blackdawn eine Gedankenmeisterin. Folglich kann nur sie meine Nachfolge als Große Marsha antreten. Nun beschuldigt man sie aber, dem Ruf des Ahnen folgen zu wollen. Man beschuldigt sie sogar, mit den

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