180 - Die Enkel der Astronauten
zusammengetrieben und hingerichtet. Sobald wir uns Wasserlöchern oder Seen näherten, wurde ohne Vorwarnung geschossen. Immer wieder fiel dieses Pack wie Heuschrecken über uns her. Sie schlugen mit Äxten und Knüppeln zu. Stahlen den Toten die Kleider. Raubten Nahrung und Decken. Was, wenn dieser Mob hierher kommt? Wir müssen uns verteidigen können!«
Viele der Anwesenden stimmten ihm zu.
Carlos beruhigte die Leute. »Ich verstehe eure Besorgnis. Aber es gibt nur drei Zugänge in die Stadt. Diese sind Tag und Nacht besetzt. Außerdem wachen rund um Kata Tjuta unzählige Anangu. Sollte es je zu einem Angriff von außen kommen, was ich nicht glaube, so werden die Waffen rechtzeitig ausgegeben.« Sein Blick fiel auf den kleinen Sohn von Frost. Er zwinkerte ihm zu.
»Schlimmer ist doch, wenn die Waffen unbeabsichtigt in die Hände unserer Kinder geraten, oder?« Man diskutierte hin und her – am Ende gab Frost nach.
Danach wurde der Ausbau des Höhlenlabyrinths besprochen. Red Toad platzte inzwischen aus allen Nähten. Viele mussten auf Isoliermatten und Decken in zugigen Gängen schlafen. Man wollte die Gänge und Höhlen in Richtung Osten befestigen, um neue Unterkünfte zu schaffen. Carlos beobachtete die anwesenden Anangu. Er erwartete Einwände wegen ihrer heiligen Schlange Ungud. Aber als Adam ihnen das Vorhaben unterbreitete, nickten sie nur. Sie waren sogar einverstanden, dass in Zukunft die Toten von Red Toad im Ulurusaal verbrannt werden sollten. So wurde eine große Höhle genannt, die Adam noch vor dem Kometeneinschlag im Labyrinth entdeckt hatte. Sie besaß einen natürlichen Kamin, der bis zur Erdoberfläche reichte. Während der Zusammenkünfte des Ahnenclans wurde im Saal oft ein Feuer entfacht.
Der Stammesführer der Anangu erhob sich. Blassblaue Tätowierungen schimmerten auf seiner faltigen Haut.
Seine bernsteinfarbenen Augen richteten ihren Blick in die Ferne. Als er zu sprechen begann, war es, als höre man Tausende kleiner Steine eine glatte Felswand hinunterrollen.
Adam erhob sich ebenfalls und übersetzte: »Die Wächter des Uluru haben nach uns gerufen. In wenigen Tagen ist der dreizehnte Mond vollendet. Mein Volk wird dann zurückkehren zum Sitz des Ahnen.« Der Alte nickte Adam zu und nahm wieder Platz. Es war so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
Adam blickte über die Menge. »Hört mir zu«, brach er schließlich das Schweigen. »Vor vielen Jahren prophezeite mir ein sterbender Schamane folgendes: ›Noch dreizehn Jahre, dann wird die Welt brennen. Ein weißer Mann und eine dunkle Frau werden vom Himmel fallen und Leben mitbringen. Nehmt den Mann mit in die Rote Kröte. Die Frau und das Leben bringt zum Uluru. Sonst kommt der Tod zu euch‹.«
Die Menschen im Dom schauten ihn verständnislos an.
Marsha, die mit Sean in den hinteren Reihen stand, flüsterte mit erstickter Stimme: »Das ist doch Wahnsinn!«
Sean tastete nach ihrer Hand. Er war fassungslos. Die Gespräche mit Marsha, ihre Ängste und Warnungen vor diesem Mann polterten durch seinen Kopf. »Wo ist Naomi?«, fragte er leise.
»Bei Inga.« Marsha stockte der Atem, als sie Adams Augen auf sich gerichtet sah.
»Die Prophezeiung meinte Sean Bernstein und Marsha Hunt!« Adams Stimme donnerte durch den Dom. »Der Ahne ließ mich wissen, wann und wo ihr Shuttle vom Himmel fallen würde! Marsha und ihre Tochter Naomi sind auserwählt, ihm zu dienen! Sie werden die Anangu begleiten!«
Unzählige Augenpaare waren auf Sean und Marsha gerichtet. »Niemals!«, schrie Marsha.
»Verdammt noch mal, Adam! Was soll der Blödsinn?«, rief Sean über die Köpfe der Menge hinweg. Adam schwieg und verzog keine Miene.
Hinter ihm tauchte Carlos auf. »Adam, du kannst Marsha nicht zwingen, zum Uluru zu gehen!«
Ohne ihn zu beachten, wiederholte Adam die letzten Sätze der Prophezeiung: »Die Frau und das Leben bringt zum Uluru! Sonst kommt der Tod zu euch!«
Sean hatte nun endgültig genug. »Hör auf damit!« Wild stieß er die Leute beiseite, um nach vorne zu gelangen.
»Das ist tiefster Aberglaube! Okkulter Mist!« Er brüllte seinen Zorn hinaus. Marsha suchte den mentalen Kontakt mit ihrer Tochter. Sie spürte die stummen Schreie des Babys und erstarrte. Ihre Augen irrten suchend durch die Felsenhöhle.
Sean tauchte wutschnaubend vor Adam auf. An seinen Fäusten verfärbten sich die Knöchel weiß. Adam lächelte ihn an, wie ein Vater seinen unverständigen Sohn.
»Verstehst du nicht? Der Ahne hat
Weitere Kostenlose Bücher