1802 - Stiefkinder der Sonne
vorangeschritten sind. Zum Zeichen dafür wird der Himmel sich öffnen und eine strahlend helle und eine dunkle Hälfte offenbaren. Seit kurzem steht die Pforte offen. Aber die mutigsten Herreach, die versucht haben, den Tempel zu betreten, sind verbrannt. Ihre Körper verwehten als glühende Asche."
„Ein fünfdimensionaler Schutzschirm", wisperte eine Stimme hinter Khans Ohr. Zu leise, als daß er den Sprecher erkannt hätte. Zweifellos einer der Wissenschaftler von Bord des Schiffes.
Ein Teil der Prophezeiung hatte sich erfüllt, Tag und Nacht waren über Trokan hereingebrochen. Nach 250 Millionen Jahren der Düsternis.
Aber stand zu erwarten, daß sich auch der andere Teil vollzog? Daß Kummerog kam? War er der unbekannte Erbauer des Bohrkopfes, ein Unsterblicher? Oder lag er im Tempelinnern in einer Tiefschlafkammer und wurde soeben aufgetaut?
Wie dem auch sei, er würde eine Menge Fragen beantworten müssen.
„Khan an PAPERMOON: Wie sehen die Meßergebnisse aus? Könnt ihr dem Tem.." dem Bohrkopf auf den Zahn fühlen?"
An Godar gewandt, erkundigte er sich nach Kummerogs Aussehen.
„Er ist groß", sprudelte der Herreach hervor, „ein Gigant in seiner Gestalt. Niemand kann ihn verletzen, und wenn er redet, erzittern die Täler zu seinen Füßen, und die Berge hallen wider vom Echo seiner gewaltigen Stimme. Sein Erscheinen wird den Herreach ein Leben voll Überfluß und in spiritueller Erleuchtung bescheren.
Darauf warten wir."
Ein verklärtes Bild. Mit anderen Worten, niemand wußte, wie dieser Kummerog wirklich aussah.
Möglicherweise war er längst zu Staub zerfallen.
„Ein Haluter",, wisperte die Stimme im Funkempfang. „Die Beschreibung läßt kaum eine andere Wahl."
„Zufall", tat Cistolo Khan die Feststellung ab. „Ohne Bedeutung."
„Und wie erklärst du dir das paratronartige Feld, das den Tempel einhüllt?" Chefwissenschaftler Thooker, der allwissende Guru und angebliche Mönch der Streppen-Kirche, war der Sprecher. „Kein Wunder, daß die Herreach, die versucht haben, die Pforte zu durchschreiten, verglüht sind. Für die Eingeborenen muß es jedenfalls so ausgesehen haben."
„Was verbirgt sich hinter dem Feld?"
Thooker ließ ein knappes Lachen vernehmen.
„Ein Tor ins Tempelinnere steht offen, das ist richtig. Aber es befindet sich hinter dem Schirmfeld, und mehr als einen erleuchteten Korridor bekommen wir nicht zu sehen. Wir sollten diesen Kummerog fragen."
„Funkkontakt?"
„Negativ. Keine Antwort, keine Hinweise auf Sendetätigkeit überhaupt. Da der Bohrkopf ohnehin seit zweihundertundfünfzig Millionen Relativ-Jahren unverändert an diesem Ort steht, ist kaum zu erwarten, daß wir so etwas wie eine Besatzung vorfinden werden. Diese Zeitspanne überdauert kein Lebewesen. Myles Kantor ist übrigens meiner Meinung."
„Wie schön für dich." Der LFT-Kommissar konnte sich einen Anflug von Ironie nicht verkneifen.
„Können wir den Schirm neutralisieren?"
„Natürlich", behauptete Thooker. „Das ist kein Problem."
Probleme gab es für den Neunundneunzigjährigen vom Kolonialplaneten Strepp so gut wie nie. Hin und wieder ließ er andere sogar an seinem Wissen teilhaben.
„Dann werden wir in Kürze diesem Kummerog gegenüberstehen", vermutete Khan.
„Nicht ganz", druckste der Chefwissenschaftler plötzlich herum. „Nicht in Kürze jedenfalls."
„Sondern?"
„Das Schirmfeld ist von ausgesprochen hoher Qualität."
„Wann?"
„Einige Tage wird es’ schon dauern. Wenn alles gutgeht. Und wenn die Herreach nichts dagegen haben, daß wir uns näher mit ihrem Heiligtum befassen."
„Das", sagte Cistolo Khan, „laß bitte meine Sorge sein. Ich denke, sie sind friedfertig. Sie werden nichts dagegen haben, wenn wir ihnen helfen, Gott Kummerog zu befreien."
*
Früchte! Wahrscheinlich ein Nahrungsmittel, das der Trokaner unter seiner Kutte verborgen gehalten hatte. Auf jeden Fall keine Waffe. - Gloom Bechner hätte sich für seine Überreaktion ohrfeigen können. Aber dafür war es jetzt zu spät.
Vielleicht ließ sich das Mißverständnis aufklären. Wenn die Eingeborenen Wesen mit Verstand waren, würden sie begreifen, daß er so und nicht anders hatte handeln können.
„Idiot!" murrte Bechner.
Adasta schaute ihn überrascht an.
„Nicht du. Ich rede mit mir selbst."
Immer noch dieser vorwurfsvolle, durchdringende Blick. So wie auch Sibyll ihn angesehen hatte.
„Ja, verdammt, ich habe geschossen. Na und? Doch nur, um euch zu schützen. Also macht
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