1808 - Landung auf Lafayette
letzter Funken Hoffnung auf Hilfe erstarb.
„Anja!" rief er, kniete bei ihr nieder und versuchte sie aufzurichten. „Anja, sag doch, was soll ich tun?"
Sie wand sich, versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen, bewegte ruckartig den Kopf hin und her.
Plötzlich hatte er den Eindruck, als ob sie ihn erkannte.
Anja versuchte, etwas zu sagen, brachte jedoch nur unverständliches Lallen hervor. Dann begann sie wieder zu würgen, weißer Schaum quoll aus ihrem Mund; sie schlug blindlings um sich, und Joseph konnte sie nicht mehr halten.
Doucet war nicht weit von ihr entfernt. Er versuchte immer wieder, zu Anja zu kommen.
„Nnnn ...", stieß er hervor. Er richtete seine hervorquellenden Augen flehend auf Joseph. „Hhhh ...
hhhy ... rrra ..."Mehr brachte er nicht heraus.
Was heißt das denn? dachte Joseph und preßte die geballte Faust an die Stirn.
Jeder Gedanke schmerzte. Er kannte das aus der Zeit, nachdem er aus dem Koma erwacht war und versucht hatte, sich zu erinnern. Es war so entsetzlich gewesen, daß er sich für eine weitere lange Zeit tief in sich hinein geflüchtet hatte, an einen verborgenen Ort, an dem ihm nichts mehr weh tun konnte.
Die Ärzte, die ihm halfen, seine Freunde, hatten viele Monate Geduld aufbringen müssen, um ihn dort herauszuholen, an die Oberfläche des Bewußtseins. Zu dem Zeitpunkt hatten sie ihm schon den Chip implantiert und behauptet, alles wäre wieder gut.
Nichts war gut gewesen. Nach wie vor konnte er sich an vieles nicht erinnern, und er vermochte sich nicht lange auf einen einzigen Gedanken zu konzentrieren, ohne daß es schmerzte. Er begriff, daß er vieles nicht mehr konnte und nie mehr würde begreifen können. Er war dumm geworden, einfältig.
Das Mitleid der anderen hatte ihn auf diesen Gedanken gebracht, der ihn von da an nie mehr loslassen sollte. Joseph hatte es schließlich geschafft, ihn zu beherrschen, ihn tief in sich hinabzudrängen. Nachts aber, wenn die Träume kamen, hatte er keine Gewalt mehr über ihn. Und dann spielte der Gedanke sein gräßliches Spiel mit ihm ...
Ich bin allein, ich bin allein. Ich kann das nicht. Ich brauche doch Hilfe, und Pepe wartet auf mich.
Warum lassen sie mich allein?
Verzweifelt versuchte Joseph, seine wirren, ängstlichen Gedanken zu ordnen. Mehrmals schlug er mit der flachen Hand gegen die Stirn.
Es tut nicht weh. Weh tut nur die Angst. Komm heraus, alter Held! Anführer der Beausoleils, zeig, was du kannst!
Er zuckte zusammen, als Michael Doucets Hand sich in seinen Arm verkrallte. Er lallte unverständliche Worte, sein Körper zuckte unkontrolliert, Speichel rann aus seinem Mund, und er verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Dennoch hatte er es geschafft, Joseph zu packen und zu rütteln, ihn bewußt aufmerksam gemacht.
Uns geht es schlechter als dir, hieß das. Du müßtest das verstehen, so ist es dir einst selbst ergangen.
Aber wir können jetzt noch weniger denken, noch weniger handeln als du. Du mußt jetzt für uns denken, Joseph Broussard! Nur du kannst es, denn du verstehst, was wir durchmachen!
Joseph stieß ein hilfloses Wimmern aus; jahrelang hatte er sich auf die anderen verlassen. Er hatte gelebt, wie er wollte, und die anderen hatten sich um ihn gekümmert und seine Wünsche erahnt, bevor er sie geäußert hatte.
Er hatte es sich zu leicht gemacht, sich geflüchtet in seine geistige Behinderung, in die Erinnerung an den Schmerz. Aber nur weil Gedanken schmerzten, durfte man sich nicht der Verantwortung entziehen. Und seine Verantwortung lag im Moment darin, den anderen zu helfen, allen voran Pepe, seinem ... Sohn.
Was hatte Michael gestammelt? Joseph starrte den Leidenden an, versuchte sich zu erinnern, die Worte zusammenzusetzen.
Hy ... ra ... Hyper ... raum ... Hyperfunkraum! Ja! Das ist es! Er sprang auf. Der Raum lag gleich nebenan. Joseph hatte das Gefühl, nachdem er bewußt darauf achtete, daß das grauenvolle Geräusch von dort kam.
Als er hastig durch das Schott ging, wurde er von dem lärmenden Stakkato fast erschlagen. Obwohl er keiner Beeinflussung wie die anderen unterlag, verspürte er doch ein unangenehmes Vibrieren in der Luft, durch die er sich bewegte.
In dem Raum befand sich ein Techniker, der sich jedoch nicht mehr rührte. Joseph beugte sich nur kurz über ihn, um sich davon zu überzeugen, daß er tot war.
Die direkte Nähe zu dem Störsignal war für ihn nicht mehr erträglich gewesen. Joseph ging zu dem HyperkomEmpfänger und schaltete ihn
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