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181 - Der ewige Turm

181 - Der ewige Turm

Titel: 181 - Der ewige Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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eine Tür im Säulengang der Halle gelangte. Der Scheiko postierte sechs Bewaffnete vor der Tür ihrer Schlafkammer.
    Sulbar blickte durch das einzige Fenster des Raumes in den Garten hinaus. »Auch vor dem Fenster sitzen zwei Wachen«, sagte er. Er wandte sich nach Rulfan um. »Wir sind Gefangene, kapierst du das, weißer Mann? Wenn sie ihre Götter so verstehen sollten, dass sie weitermachen müssen wie bisher, sind wir erledigt!«
    »Wenn sie es nicht wagen, gegen diese Räuberbande zu kämpfen, sind es Schwächlinge, denen man die Eier abgeschnitten hat«, zischte Halil. »Und mit Schwächlingen ohne Eier werden wir schon fertig!« Der Junge klopfte auf sein Schwert.
    Rulfan legte sich auf sein Lager und sagte kein Wort.
    ***
    Ihre innere Erstarrung löste sich erst wieder, als es so dunkel wurde, dass sie kaum noch die eigene Hand vor Augen erkennen konnte. Die warmen pelzigen Körper, die sie umgaben, bewegten sich im Rhythmus schnarchender Atemzüge. Das letzte Quäken, Schnarren und Krächzen war verstummt, alle Orangus schliefen.
    Ballaya konnte nicht fassen, dass sie noch lebte.
    Nach allem, was man sich unter den Stämmen von Ka'El erzählte, waren die Orangus gefährliche Jäger und unersättliche Fleischfresser, und zwei junge Jäger, die von ihnen verschleppt und getötet worden waren, hatte Ballaya persönlich gekannt. Sie hatte mit nichts anderem gerechnet, als zerrissen und gefressen zu werden. Vor Angst schon wie tot, hatte sie erleben müssen, wie die vier Großaffen zum ewigen Turm liefen. Sie drangen aber nicht in den Turm des Kometenfürsten ein, sondern in den halbzerstörten Zwillingsturm.
    Ballaya hatte die Treppen nicht gezählt, über die sie in die Ruine hinauf geschleppt worden war. Irgendwann fand sie sich in einem großen Raum unter mehr als zwei Dutzend Orangus wieder. Die Affen verspeisten Früchte, Pilze, Wurzeln und große Insekten. Nur ein altes Männchen nagte an einem Knochen herum. Hin und wieder kroch einer von ihnen zu Ballaya, der Menschenfrau, grunzte und drückte sie mehr oder weniger herzhaft oder suchte ihr Haar und ihren Fellschurz nach Ungeziefer ab.
    Anfangs versuchten die jungen Orangus noch mit ihr zu spielen, doch Ballaya, die nicht wagte, sich von der Stelle zu rühren, erwies sich als ungeeigneter Spielgefährte. Die Jungaffen verloren schnell das Interesse an ihr. Der Gedanke, die Orangus würden sie am Ende doch nicht töten und fressen, sondern am Leben lassen, überstieg Ballayas Vorstellungsvermögen. Sie vermochte nicht, ihn zu denken, sie hatte mit dem Leben abgeschlossen.
    So verging der Tag, ein Tag voller Angst und Fassungslosigkeit.
    Jetzt also war es dunkel, und ihre Entführer schliefen.
    Schmerzhaft drängte es sich in Ballaya Bewusstsein, dass sie sich den ganzen Tag noch nicht entleert hatte. Es wurde eine Spur heller; der abnehmende, aber immer noch volle Mond ging auf. Sie atmete ein paar Mal tief durch, tastete dann nach der moosbedeckten Wand und stemmte sich an ihr auf die Beine.
    Mondlicht sickerte durch das Efeulaub vor den Fensterhöhlen und Mauerlücken. Die Körper der schlafenden Orangus sahen aus wie rötliche Erdhügel, die sich hoben und senkten. Eine Zeitlang verharrte sie wie gelähmt, dann wagte sie es: Vorsichtig und schwankend überstieg sie einen nach dem anderen. Ihr Herz klopfte noch genau so wild wie in dem Augenblick, als sie den Großaffen im Wald so unerwartet gegenüber gestanden hatte.
    Endlich die Türöffnung. Lautlos huschte Ballaya aus dem Raum. Auf Zehenspitzen lief sie über den Gang, blieb stehen, wenn sie über Geröll oder Geäst stolperte, und lauschte. Die Angst drohte ihr jedes Mal die Brust zu sprengen. Wenn sie sicher war, dass keiner der Affen von dem Geräusch aufgewacht war, schlich sie weiter. In einer Wandnische verrichtete sie schließlich ihre Notdurft.
    Während sie das tat, fiel ihr Blick durch eine große Fensteröffnung, die kaum durch Kletterpflanzen verdeckt war. Was sie im Morgengrauen nur von weitem gesehen hatte, schien jetzt zum Greifen nahe: die Verbindungsbrücke zwischen den beiden Türmen.
    Das Mondlicht spiegelte sich in den wenigen Glasflächen, die Naturkatastrophen und Zerfall noch übrig gelassen hatten. Auch den ewigen Turm beschien der Mond, die Hölle, in der Ballaya jetzt eigentlich hätte leiden müssen. Sie biss sich auf die Unterlippe und dachte an ihren Stamm und ihre Sippe. Angst und ein schlechtes Gewissen schnürten ihr die Kehle zu.
    Sie stand auf und trat auf den Gang

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