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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Ziele. So nahe die Schlange der Gefahr rings um sie her spielte, so oft der Boden unter ihnen schwankte, der Fuß dicht am schwarzen Abgrunde entglitt – die wachsame Rettung war immer schneller als das lauernde Verderben. Jetzt erreichten sie das jenseitige Ufer und atmeten frei und gerettet wieder auf. In tiefer Rührung drückten die Freunde einander an die Brust; alle aber wandten sich zu Rasinski, denn sie fühlten, daß er der Retter war, und umdrängten ihn mit gerührter Liebe. »Dort oben sucht den Helfer,« sprach er und erhob den Arm gen Himmel; »ihm, der über den Sternen wohnt, des Auge durch Nacht und Wolken dringt, ihm wendet Herz und Blick dankend zu!«
    Plötzlich teilte ein Mann in heftiger Eile das Getümmel und wollte sich an Rasinski vorüberdrängen; dieser erkannte Regnard. »Wohin?« rief er ihm zu und hielt ihn an. – »Laßt mich!« erwiderte dieser hastig und wollte sich losmachen; »ich muß wieder an das jenseitige Ufer. Die Unglückliche, der ich mein Kind zur Obhut gelassen, ist durch Angst und Schrecken so betäubt worden, daß sie es vergessen hat. Ich muß es retten.« – »Es ist gerettet!« rief Rasinski freudig. – »Wie? Wo? Ich danke euch mehr als mein Leben«, antwortete Regnard und blickte umher.
    Rasinski erzählte ihm die Rettung in zwei Worten und wies den vor Freude Zitternden zu Bianka hin. Diese hatte das Gespräch schon vernommen und trat ihm entgegen. »Du armes Herzchen!« rief der Vater mit gerührter Zärtlichkeit und nahm das Kind in die Arme; »bist du wirklich zum zweitenmal gerettet?« Seine Freude war so groß, daß er fast des Dankes darüber vergaß; wie beschämt aber wandte er sich plötzlich zu Bianka und sprach: »Sie waren der Schutzengel des hilflosen Wesens! Fordern Sie mein Leben, wenn Sie wollen; als Mann von Ehre gebe ich Ihnen mein Wort, daß ich nicht säumen werde, es zu opfern. Nur bleiben Sie dann die Mutter dieser verlassenen Waise!«
    »Vertrauen Sie das Kind mir jetzt an,« sprach Bianka sanft; »es soll seine Mutter nicht vermissen!« – »Ja, das will ich,« erwiderte Regnard, »wenn der Allmächtige Sie erhält, so ist dieses junge Leben wohl geborgen! Sie werden es nicht vergessen in der Stunde der Gefahr!« – »Gewiß nicht,« sprach Bianka; »und es wird mir mehr Schutz geben als ich ihm, denn Gottes Engel wachen über dem holden Haupte, und der Schoß ist heilig behütet, in den es sich schlummernd lehnt. Es hat mich auch schon recht lieb,« fuhr sie freundlich fort, indem sie das Kind streichelte, »nicht, Herzchen?« Der kalte, eherne Regnard, dessen starre Furchen in Stirn und Wangen kaum jemals ein Lächeln heiter überflog, stand jetzt mit dem Ausdruck tiefster Rührung in den Zügen, und Tränen glänzten in seinem Auge. Er vermochte nicht zu sprechen, oder wollte es nicht, weil er zu bewegt war.
    Bernhard betrachtete ihn mit innigster Teilnahme und wandte sich leise zu Ludwig. »An diesem sehe ich, daß das Schicksal Eisen wie Wachs formt. Es muß ihn aber auch mit Riesenfäusten gepackt haben, daß es Tränen aus seinem ehernen Herzen drückt und warme Funken aus seiner kalten Steinbrust schlägt.« – »Du irrst, Lieber,« antwortete Ludwig; »nicht die Schläge des Schicksals haben ihn zermalmt, denn gegen sie steht er aufrecht wie jemals, aber die warme Sonne der Liebe löst mit ihren Strahlen das Eis seiner Brust und entlockt dem steinigen Boden duftende Blüten. O glaube mir, in der Tiefe jeder Brust ruht das goldene Samenkorn der Liebe und sprießt in zarten Keimen auf, wenn ein Sonnenstrahl es erreicht.« – »Doch nicht eher, als bis die scharfe Pflugschar des Unglücks den zähen Boden von allen Seiten aufgerissen hat.« – »Ist dem so, so wollen wir dem Himmel für den Schmerz dankbarer sein als für die Freude«, sprach Ludwig bewegt.
    »Man hat es oft Ursache,« warf Bernhard in seiner raschen Weise hin; »und sind wir nicht auch durch diese Schule gegangen? Wie tief und oft mußte der Pfeil des Schmerzes, das Feuer des Zorns, das Eis der Verschmähung, ja das Gift der Sünde selbst mir durch das Herz dringen und darin schneiden und brennen, bis es locker und fruchtbar wurde für die heilige Saat der Freundschaft und Liebe!« – »Und war denn diese nicht immer in dir?« antwortete Ludwig. »Du mißkennst und entstellst dich selbst, du Bester.« – »So etwas war freilich davon da,« sprach Bernhard, »aber kein echtes, gediegenes Metall; und noch sind die Schlacken nicht ganz heraus. Vielleicht

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