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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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dauert es noch lange, ehe es einen so reinen goldenen Klang gibt wie bei ihr!« Er deutete dabei auf Bianka, die noch mit Regnard sprach. »Sie freilich,« erwiderte Ludwig weich, »gleicht der klaren Kristallschale, die, wenn sie berührt wird, in schönen Wellenlinien und zitternden Kreisen den Wohllaut reinster Glockentöne erklingen läßt.«
    Während dieses Gesprächs hatten sich die Truppen wieder geordnet und setzten sich in Bewegung, Willhofen führte die beiden Pferde heran, die er für Bianka und Jeannetten, so gut es in der Not anging, mit Decken gesattelt hatte. Die Frauen wurden hinaufgehoben; Bianka nahm das Kind vor sich, der alte Diener hing sich die Zügel über den Arm, um die Pferde zu leiten. Bernhard und Ludwig gingen zu Fuß nebenher, doch schlossen sie sich so dicht als möglich an Rasinskis Leute an, von denen auch schon wieder ein nicht geringer Teil seine Pferde verloren hatte und daher zu Fuß ging. Bald nahm ein dichter Wald den Zug auf und im Schutze seines Dunkels schienen die nächsten Gefahren abgewendet zu sein.

Sechstes Kapitel.
    Bei dem größern Heere hatte die tiefste Trauer und Bestürzung geherrscht, weil man keine Hoffnung hegte, daß der preisgegebene Held Ney einen Ausweg aus den Schneesteppen Altrußlands, deren Grenzen von zahllosen Feinden bewacht wurden, finden könne. Wenn schon die Garden des Kaisers unter dessen Führung selbst, als er sich zurückwandte, um Eugen und Davoust zu retten, furchtbare Kämpfe bestehen mußten, wenn die italienische Armee nur durch ein Wunder gerettet werden konnte – was war für die zu hoffen, welche, um zwei Tagemärsche zurück, den Feind auf den Fersen, vor sich und zu beiden Seiten haben mußten? Ein düsterer Schmerz bemächtigte sich der Seele aller; selbst der eigenen Rettung vermochte sich niemand zu erfreuen, solange der kühne, edle Löwe, der freilich allein dieser gigantischen Aufgabe gewachsen war, in dem Kerker des Feindes schmachtete, oder vielleicht von den Keulenschlägen der Übermacht zu Boden gestreckt wurde. Der Kaiser selbst, so fest er sich die unerschütterliche Ruhe und Klarheit bewahrte, wo er im Angesicht des Soldaten Feldherr oder Monarch sein mußte, vermochte in seinen nächsten vertrauten Umgebungen der Sorge und dem Gram kaum zu gebieten. Man sah ihn finster, mit gefurchter Stirn, die Hände auf den Rücken gelegt, in den niedrigen, halbeingestürzten Hütten Krasnoes, Lyadis, Rasasnas und Orszas, wo der Beherrscher Europas sein Nachtquartier wählen mußte, auf und nieder gehen, ohne ein Wort zu sprechen. Seine Umgebungen standen oder saßen schweigend umher und wagten nicht, die tiefe Stille zu unterbrechen. Den Schmerz um den Fall der vielen Tausende seiner Getreuen, die Schmach seiner Niederlagen, den Sturz aller seiner Hoffnungen hatte er mit unerschütterter Kraft getragen; der Verlust seines kühnsten Feldherrn, seines wärmsten Freundes, bezwang selbst diesen Koloß, der gewohnt war, wie ein Fels in den Stürmen und Wogen des Schicksals zu stehen und sich die Wetter an seiner Stirn brechen zu lassen.
    Von Kämpfen und Anstrengungen ermattet, hatte das Heer zögernden Schrittes, denn der Kaiser wollte die offene Bahn der Rettung nicht betreten, solange er den kostbaren Edelstein dem Feinde verpfändet hatte, spät am Abend Orsza erreicht. Eugen, Davoust und Mortier lagerten mit ihren Kriegern in dieser Stadt, die hier zum ersten Male nach einem Monat unerhörter Qual und Entbehrung ein sicheres Obdach, Schutz gegen die Strenge des Winters, hinreichende Nahrung für ihren entkräfteten Körper, ein Lager für die ermatteten, von Kälte erstarrten Glieder fanden. Die ungeheuere Mühe schien überstanden, und mit der gebieterischen Forderung der Notwendigkeit hörten auch die Kräfte auf, die der Wille an sich nicht zu so furchtbarem Gehorsam zu zwingen vermochte. Todesmatt waren die Krieger auf das Lager gesunken und überließen sich in den Armen des Schlafes einer seligen Vergessenheit ihrer Leiden.
    Es war Nacht. Da hört der noch in später Sorge für die Seinen wachende Eugen den Hufschlag einiger Pferde in den schweigenden Gassen des Städtchens. Horchend beugt er sich aus dem Fenster, sieht mehrere heransprengende Reiter und ruft sie an: »Wer da?« – »Polnische Kavallerie.« – »Woher?« – »Vom Korps des Marschalls Ney.« Diese Antwort zuckt wie ein freudiger Blitzstrahl durch das Herz des Königs. »Lebt er? Ist er gerettet?« fragte er hastig und außer sich.
    »Er rückt auf dem

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