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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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rechten Ufer des Dnjepr heran,« erwidert Rasinski, der von dem Marschall vorausgeschickt war; »doch sind die Russen ihm nahe und ich komme, Hilfe zu fordern.«
    »Ihr sollt sie haben«, ruft der Feldherr freudig und erscheint in wenigen Augenblicken von seinen Offizieren umgeben auf der Straße. Der Generalmarsch ertönt, man eilt von Haus zu Haus, die Krieger aufzurufen. Doch welche Forderung! Kaum haben sie endlich den ersten Ort der Rast und Ruhe erreicht, kaum hat der Schlaf die Entkräfteten in seine süß betäubenden Arme geschlossen, und schon wieder sollen sie hinaus in den unermeßlichen Ozean von Eis und Schnee, sollen zurückkehren in die Wüste, aus der sie kaum den Ausgang erkämpft haben? Wer will sie dazu vermögen? Sie ziehen den Tod der Erneuerung der Qualen vor. Die wirbelnde Trommel hören sie nicht, mit so festen, dumpfen Banden hat der Schlaf sie umstrickt; mühsam aufgerufen und emporgerissen, taumeln sie halb bewußtlos wieder zurück auf das warme Lager. Mag der Feind, den sie eingedrungen wähnen, sie im Schlafe ermorden; jeder Widerstand ist doch vergeblich; warum sollen sie die gelähmten Sehnen noch einmal auf schmerzlicher Folter anspannen, warum die Marter erneuern und verlängern?
    Doch ein Mittel gibt es: »Ihr sollt den Marschall Ney erretten«, ruft man den Betäubten ins Ohr. »Ney ist uns nahe! Auf, ihm entgegen, ihn zu beschirmen!« Der Name des Verehrten, Betrauerten, verloren Geglaubten weckt das Ehrgefühl der Tapfern; einen solchen Feldherrn zu verlassen, ist schmählicher als Verrat und Flucht. Dieser Aufruf dringt mit hinreißender Gewalt in die Seele der Krieger; Ney ist der Kämpfer, der alles wagt, er ist der Retter, wo keiner mehr zu retten vermag. Wie ein Gott kehrt er von den Pforten des Todes zurück! Nichts ist mehr zu fürchten, wenn er wieder bei uns weilt. Die Freudenbotschaft verpflanzte sich von Mund zu Mund, von Haus zu Haus; in Scharen strömen die Krieger zusammen, jeder will der erste sein, dem allverehrten Helden entgegenzueilen. Selbst die Feldherren streiten sich um diesen Ruhm; nur durch seinen höhern Rang vermag der Vizekönig sein Recht dazu geltend zu machen.
    Man bricht auf durch dichte Finsternis, auf unwegsamen Pfaden; Rasinski und seine Begleiter reiten als Führer an der Spitze. Doch die feindselige Natur ruht auch jetzt noch nicht; der Sturm erhebt sich; Schnee wird aufgewirbelt, jeder Pfad, jede Spur verweht. Wie soll man jetzt die Richtung festhalten? Wie in dieser unabsehbaren Wüste den Verlorenen erspähen? – Zwei Stunden ist man, dem Glück vertrauend, unablässig weiter in die Tiefen der Finsternis und der Öde eingedrungen; jetzt endlich scheint jede Bahn und jede Hoffnung verloren. Ja die Tücke des Geschicks läßt befürchten, daß man gerade in die ausgespannten Netze des Feindes irrt und auf seine Heere stößt, statt auf die Freunde. »Wir sind hier auf dem Meere, wenngleich seine Wellen erstarrt sind«, ruft der Vizekönig aus. »Wir müssen zu den Mitteln bedrängter Schiffer greifen; wir wollen Signalschüsse tun!«
    Er gebietet halt. Zwei Geschütze laden blind. In wohl abgemessener Pause geschehen drei Schüsse, deren dumpfer Donner weit durch die Nacht fortrollt. Jetzt lauscht alles in gespanntester Erwartung, ob das Signal erwidert wird. Lange bleibt es still; schon verzweifelt man, daß das Zeichen verstanden sei. Da läßt sich endlich entferntes Gewehrfeuer hören. »Wie? Was soll das bedeuten?« fragt der Vizekönig aufs neue zweifelhaft. – »O, dieses Zeichen ist uns günstig,« fällt Rasinski rasch ein, »das dritte Armeekorps hat keine Kanonen mehr, es kann nur so antworten.« – »Der Wackere!« ruft Eugen freudig; »so hat er uns dennoch verstanden! Wie sich bei ihm Vorsicht und Kühnheit paaren! Er wartete ab, ob die drei Schüsse die einzigen bleiben würden, und so erriet er die allein mögliche Bedeutung, die sie haben konnten.«
    »Es war in des Marschalls Lage allerdings gefährlich, das Zeichen zu beantworten,« pflichtete Rasinski bei; »er konnte sich dadurch ebensogut dem Feinde verraten. Doch sein Feldherrnblick durchdringt die Verhältnisse mit Adlerschärfe, und wo Verderben und Rettung in schwindelnder Nachbarschaft kaum zu unterscheiden sind, weiß er dennoch mit fester Hand zu ergreifen, was ihm Heil bringt!« – »Und diesmal soll er sich nicht getäuscht haben!« rief der Vizekönig freudig, indem er seine Truppen die Richtung nach dem Schalle der Schüsse nehmen ließ.
    Mit belebtem

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