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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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erwiderte Rasinski, »dem Feuer unserer Artillerie nicht so nahe haben aussetzen wollen; doch wundert mich's, daß ich nirgends Kanonen aufgefahren sehe.«
    Sie ritten noch einige hundert Schritt weiter, auf die Spitze eines Hügels, der sich näher gegen den Fluß zog; indessen verwehte der Wind die nebeligen Dünste, und es wurde allgemach heller. »Bei Gott!« rief Rasinski, der mit steigender Verwunderung umherblickte, »die jenseitigen Ufer sind verlassen! Dahinter muß irgendeine Absicht stecken. Man will uns vielleicht den Übergang beginnen lassen, um dann eine desto furchtbarere Verheerung unter uns anzurichten.« – »Vielleicht bleibt uns wenigstens so viel Zeit, um die Brücke zu bauen«, meinte Boleslaw und deutete auf den Strom, wo man jetzt die Arbeiter in voller Geschäftigkeit erkennen konnte. – »Auf den Hügeln dort rechts,« bemerkte Rasinsti, »sehe ich Reiter; sie scheinen mir ebenfalls zu rekognoszieren. Laß uns dort hinüber, man muß von jenem Hügel die Windung des Stroms tiefer hinabsehen können.«
    Sie ritten auf den bezeichneten Punkt zu und trafen daselbst den Marschall Ney, Regnard und einige andere Offiziere. Diese waren ebenso erstaunt als Rasinski, das jenseitige Ufer von Truppen entblößt zu finden. Plötzlich rief Regnard: »Dort drüben, nach Borisow zu, sehe ich Truppen im Marsch; es ist eine starke Kolonne. Rasinski, ihr habt ein Falkenauge, was meint ihr, ist das nicht russische Kavallerie?« Rasinski hielt die Hand über das Auge, weil die eben aufgehende Sonne schon zu blenden anfing, blickte scharf hin und rief dann: »Es ist Artillerie und Infanterie; ich sehe zwei Kolonnen; sie marschieren nach Borisow.«
    »Sollte der Feind vielleicht abziehen?« rief der Marschall Ney mit dem Tone der Ungläubigteit. »Es ist unmöglich!« – »Aber es ist nicht mehr daran zu zweifeln«, fiel Rasinski ein. – »So leuchtet der Stern des Kaisers noch immer hell an seinem Himmel,« rief Ney mit einem flammenden Blick der Freude aus; »man muß ihn sogleich benachrichtigen.«
    Alle sprengten hinunter gegen die Brücke zu, wo der Kaiser aufmunternd und antreibend bei den Arbeitern stand und auf die Berichte wartete. Jetzt trafen die zur Rekognoszierung ausgesandten Offiziere von allen Seiten ein. Niemand hatte eine Spur des Feindes entdeckt, mehrere die abziehenden Truppen bemerkt. »So wäre es doch gelungen, Tschitschagow zu täuschen!« rief der Kaiser aus. »Man muß einen Gefangenen zu bekommen suchen, der uns Gewißheit gibt.«
    Rasinski erbot sich, einen herbeizuschaffen. Er sprengte sogleich mit Boleslaw den Strom aufwärts, nahm einige Chasseurs mit und schwamm mit ihnen durch den Fluß. Als sie die jenseitigen Höhen erreichten, bemerkten sie alle Spuren eines bedeutenden Korps, das die Nacht über hier gelagert haben mußte. Die Feuer brannten noch meist alle; man sah, daß sie erst seit einigen Stunden heimlich verlassen worden waren, und daß ihre Flamme den Kaiser täuschen sollte. Die Spuren des Wegs, welchen das russische Heer genommen hatte, auf dem Schnee bald zu erkennen; sie zogen sich südlich nach Borisow zu. Rasinski folgte ihnen rasch, aber mit Vorsicht; als er durch ein kleines Gehölz geritten war, sah er jenseit desselben einige zerstreute Kosaken; unvermutet überfiel er sie, sie flüchteten, doch einer stürzte auf dem glatten Schnee mit dem Pferde und fiel so in Rasinskis Hand, der sogleich mit dieser Beute umkehrte.
    Unterwegs befragte er seinen Gefangenen aufs genaueste nach allen Umständen und erfuhr, daß in dieser Nacht der General Tschaplitz mit zehntausend Mann und dreißig Kanonen die Höhen, Studianka gegenüber, besetzt gehalten habe, aber auf Tschitschagows Befehl gegen Morgen über Borisow nach Beresino aufgebrochen sei. Sein Herz frohlockte, als er die Bestätigung dieser Vermutung erhielt, denn jetzt war die Rettung möglich, falls nur im Lauf dieses Tages der Übergang beginnen konnte. »Freue dich, Boleslaw,« rief er diesen an, »noch glänzt unsere Sonne. Heute hat die Göttin des Glücks gezeigt, daß sie den Kaiser noch nicht verlassen will. Dies sind die unbesetzten Engpässe von Zilizien; des Mazedoniers Stern strahlt nicht leuchtender als der des Korsen.« Ungeduldig, dem Kaiser diese Nachrichten zu bringen, spornte Rasinski sein Pferd an, setzte über den Strom und berichtete, was er gesehen und was er erkundet hatte.
    Der Kaiser vernahm diese Botschaft mit zufriedenen Blicken, aber doch ebenso ruhig, als er gestern die Berichte

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