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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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hätten, dem Feinde alles verraten würden, um auch von ihm belohnt zu werden. Daher wurden alle Fragen und Aufträge, die man ihnen gab, so eingerichtet, daß sie keinen andern Zweck vermuten ließen als den, die Armee werde mit einer plötzlichen Wendung südlich den Strom hinabziehen, um so die Verfolger zu täuschen, Tschitschagow in den Rücken zu gelangen und das über alles wichtige Minsk durch Überraschung zu nehmen. Während diese Anstalten getroffen wurden, marschierte das Korps des Marschalls Oudinot in tiefster Stille aus, nach Studianka, wo der wahrhaftige Übergang bewerkstelligt werden sollte. Auch Rasinski erhielt, nachdem seine Leute einige Stunden gerastet hatten, Befehl, dahin aufzubrechen. Bei diesem Marsch war es aufs strengste geboten, jedes Geräusch zu vermeiden; noch weniger durfte Feuer geschlagen oder sonst etwas Ähnliches getan werden, was man vom jenseitigen Ufer aus bemerken konnte. Denn dort zog sich eine russische Postenkette entlang, deren einzelne Feuer man auf den Waldhöhen gleich trüben Sternen wahrnahm. Sollten sie mit ihrem blutigdüstern Schimmer den Untergang des Heeres bedeuten, dem in diesem Lande so unglückselige Gestirne gestrahlt hatten? Um das Unheil auf das äußerste Maß zu treiben, schien es vom Schicksal beschlossen, daß das Verderben im Angesicht der Rettung vollendet werden sollte. Eine düstere Besorgnis, durch das tiefe Schweigen, die ängstlich beobachtete Stille noch erhöht, senkte sich in die Brust der Krieger. Zu allen harten Entbehrungen fügte sich jetzt auch die eines tröstenden, ermutigenden Wortes; ja, die Finsternis der Nacht gestattete nicht einmal die Erquickung eines Blicks der Liebe und Freundlichkeit auf die Nächsten, Teuersten. Rasinski hatte Ludwig und Bernhard bereden wollen, mit Bianka das Heer zu verlassen und, soweit sie es vermochten, ihren Weg den Strom abwärts fortzusetzen, weil er glaubte, es werde ihnen nicht schwer fallen, unter Biankas Schutz, die überall als eine Eingeborene des Landes auftreten konnte, einen Zufluchtsort und vielleicht bald die offene Straße nach Warschau zu gewinnen. Allein beide Freunde, und aufs entschlossenste Bianka selbst, erklärten, sie würden ihr Schicksal nicht von dem Rasinskis und der Seinigen trennen. Mit gleich rührender Anhänglichkeit hatten Willhofen und Jeannette der Überredung Biankas widerstanden, welche ihnen ebenfalls den Weg der Rettung aufdringen wollte. So gab es doch noch Herzen, denen mit der Stärke der Prüfung die Kraft wuchs, die nicht von dem ehernen Fuß des Geschicks tief hinabgetreten wurden in den Staub der Verwerflichkeit, sondern in dem Druck nur die Aufforderung zum Widerstande fanden.
    Bernhard und Ludwig gingen zu Fuß dicht neben dem Wagen, auf welchem Bianka saß; es gewährte ihr und ihnen Trost, einander wenigstens nahe zu wissen und die dunkeln Umrisse der Gestalten zu erkennen, wenngleich die Gefahr des Augenblicks jede Mitteilung des Gesprächs verbot.
    Je näher man nach Studianka kam, je zahlreicher wurden die Feuer auf den Höhen. Rasinski sah es mit Besorgnis, da sich aus ihnen schließen ließ, daß ein bedeutendes russisches Heer auf dem jenseitigen Ufer aufgestellt sei, und alles war rettungslos verloren, wenn es nicht glückte, den Feind zu täuschen. Um vier Uhr morgens erreichte Rasinski den Versammlungsplatz bei Studianka. Hier waren seit dem Anbruch der Nacht die Ingenieure geschäftig, zwei Brücken über den Strom zu schlagen, deren Vollendung man vor Anbruch des Tages hoffte, um noch in der Dunkelheit wenigstens mit so vielen Truppen überzugehen, als notwendig waren, um sich jenseits eine Bahn zu brechen. Aber diese Hoffnung ward auf das grausamste getäuscht, denn wiederum scheiterte sie an dem Zorn der Elemente, ja an ihrer wahrhaft erbitterten Tücke. Denn durch das Tauwetter der vorigen Tage angeschwollen, war der Fluß um mehrere Fuß gewachsen, so daß die Furt, durch welche die Infanterie im Notfall ihren Weg hätte nehmen können, selbst für die Reiterei zu tief wurde. Die seit gestern wieder eingetretene Kälte reichte gerade hin, starke Eisschollen zu bilden, die den Strom hinuntertrieben und alles mit sich fortrissen; doch sie vermochte nicht eine feste Decke über denselben zu wölben. So war die rauhe Kraft der Natur der äußersten Anstrengung der menschlichen überlegen. Vergeblich hatten die Pioniere die ganze Nacht hindurch oft bis an die Brust im Wasser und Morast gearbeitet, vergeblich mit der Kälte, den scharf

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