Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
dass sie tot sind.«
    »Sie sind nicht tot!«, widersprach seine Frau heftig und setzte sich mit einem Ruck auf. »Es kommen immer noch Verletzte aus dem Osten. Und auf dem Markt erzählen die Leute, die Russen hätten Gefangene freigelassen, weil sie hoffen, dass Sachsen auf ihre Seite überwechselt.«
    »Das wäre ja eine schöne Art, dem Kaiser zu vergelten, dass er unser Land nach dem verlorenen Krieg so gnädig behandelt und sogar zum Königreich erhoben hat!«, empörte sich der Fuhrmann. »Ihm verdanken wir die Freiheit. Ohne ihn wäre es uns wie Preußen ergangen, das auf die Hälfte zusammengeschrumpft und ausgeplündert ist.«
    »Ihm verdanken wir den Krieg und Tausende Tote!«, hielt Lisbeth dagegen, die sich nun ebenfalls in Rage redete.
    »Krieg hat es immer gegeben und wird es immer geben!«, schrie Josef wütend über das Gerede seiner Frau. »Unsere Söhne haben ihre Pflicht erfüllt für unseren König, und der Himmel wird es ihnen lohnen. Es gibt keine größere Ehre, als für König und Vaterland zu sterben!«
    Diese letzten Worte brüllte er so laut, dass die Enden seines Schnauzbartes zitterten. Da vorerst an Schlaf nicht mehr zu denken war, warf er das Federbett von sich und stapfte hinaus zum Abtritt.
    Als er zurückkehrte, hatte seine Frau ein Talglicht angezündet und saß im Nachthemd am Küchentisch, ein Wolltuch um die Schultern geschlungen und den Kopf auf die Hände gestützt.
    »Es sind vier – die können doch nicht alle tot sein«, sagte sie bedrückt. »Und so tüchtige Jungs. Den Pferdeverstand, den haben sie von dir. Sie waren doch keine einfachen Linieninfanteristen, die sterben immer zuerst. Sie waren bei der Reitenden Artillerie!«
    Ihr Mann brummte etwas, das kaum als Zustimmung gemeint war, trotzdem von seiner Frau sofort als solche gedeutet wurde.
    »Wenn du nicht mehr glaubst, dass sie noch leben – ich tue es. Ich
weiß
es!«, behauptete sie. »Vielleicht sollte ich morgen mit dir nach Torgau fahren und sie suchen.«
    »Bist du närrisch geworden, Weib? Und deine Arbeit hier, soll die sich von allein erledigen? Außerdem werden sie dich wohl kaum in die Festung lassen.«
    »Ich schaff das schon. Und wenn ich mich bis zum Gouverneur durchfragen muss.«
    »Als ob der mir dir reden würde, so ein vornehmer Herr!«
    Das wurde ja immer wundersamer, was seine Frau da von sich gab. Verlor sie gar vor lauter Kummer langsam den Verstand?
    »Bestimmt erinnert er sich noch an mich«, beharrte Lisbeth. »Immerhin habe ich einst im Haus seiner Schwiegereltern gedient, beim Bergrat von Charpentier. Ich kochte sogar für seine Hochzeit mit Fräulein Wilhelmine.«
    Ihre Augen bekamen einen schwärmerischen Ausdruck. »Was für ein schöner Mann! Wie stattlich er in seiner hellblauen Husarenuniform aussah! Sogar Klavier und Glasharmonika konnte er spielen – als Militär, man stelle sich vor! Wie man hört, soll ihn der König kürzlich für seine Tapferkeit zum Freiherrn erhoben haben. Ich werde ihn jetzt mit ›Euer Hochwohlgeboren‹ anreden müssen …«
    Hilflos griff Josef nach seiner Pfeife, stocherte darin herum und klopfte die kalte Asche auf die blankgescheuerte Holzplatte. Wie sollte er seiner Frau nur diese Flausen ausreden und ihr den Schmerz ersparen, der unausweichlich war, wenn sie endgültig Gewissheit erhielt? Oder noch schlimmer: Wenn sie umsonst suchte? Er hatte sich doch selbst schon umgehört, ohne ihr davon zu erzählen.
    Wie es aussah, war von der Batterie Hiller kein einziger Mann wiedergekehrt. Und natürlich würde niemand eine Köchin zum Gouverneur vorlassen. Der hatte wahrlich Wichtigeres zu tun und sprach nur mit Generälen und Offizieren.
    Es war ja nicht so, dass er nicht um die vier Jungs trauerte. Manchmal würde er sich auch am liebsten hinsetzen und heulen wie ein Schlosshund. Doch irgendwer musste ja hier den Verstand behalten bei all dem Unglück.
    Unbeholfen legte er seine schwielige Hand auf die Schulter seiner Frau.
    »Finde dich damit ab und sei stolz darauf, dass sie ihre Pflicht treu erfüllt haben. Und nun komm ins Bett.«
    Ohne ein weiteres Wort folgte Lisbeth ihrem Mann in die Schlafkammer. Aber nachdem der Gedanke einmal ausgesprochen war, der schon lange in ihr gebohrt hatte, würde nichts mehr sie davon abhalten.

Gehen und Kommen
    Freiberg, 4 . Mai 1813
    A uch Johanna Gerlach hatte vor dem Einschlafen viele Pläne für den nächsten Tag geschmiedet, ohne allerdings im Geringsten zu ahnen, dass diese alle schon kurz nach dem Aufstehen

Weitere Kostenlose Bücher