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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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fort!«, rief er mit ungläubigem Staunen dem Dutzend Männer in goldbetressten Uniformen zu, die ihn begleiteten.
    Lachend breitete er die Arme aus. »Alle fort! Offensichtlich hat der preußische König keine Lust, die Partie zu Ende zu spielen! Er ist weggelaufen, der arme Frédéric!«
    Seine Stabsoffiziere – die meisten im Range eines Generals – lachten mit ihm. Dann starrten sie ihn an und warteten, dass er sie etwas fragen oder einen Befehl erteilen würde.
    Er stapfte in das Kartenzelt und studierte die sorgsam mit Stecknadeln markierten Positionen der feindlichen Armeen. Hin und wieder trat jemand ein und berichtete vom rasch verlaufenden Rückzug der Alliierten: die Preußen über Colditz, Leisnig, Döbeln Richtung Meißen, die Russen über Rochlitz, Waldheim, Nossen auf Dresden.
    Gedankenversunken griff Napoleon nach dem Kaffee, den ihm sein Leibdiener, der berühmte Mameluck Roustam, in einer hauchzarten, vergoldeten Porzellantasse servierte. Es bedurfte heute nicht der anregenden Wirkung des Kaffees, um ihn mit ruheloser Energie zu erfüllen. Der hastige Rückzug der Russen und Preußen erfrischte seine Lebensgeister viel mehr, als es das stärkste Getränk vermochte.
    Ein grimmiges Lächeln zog über sein Gesicht.
    Ja, mit dieser Schlacht hatte er den Lauf des Schicksals noch einmal zu seinen Gunsten verändert.
    Nun würde er die Feinde über die Elbe jagen, über die Neiße, die Memel, und erneut würde er seine Truppen durch Russland führen, um endlich sein wahres Ziel zu erreichen: die Eroberung Ostindiens, der vernichtende Schlag gegen seinen ärgsten Feind England.
    Wer wollte es jetzt noch wagen, von den Verlusten in Russland zu reden? Seine Grande Armée dort vernichtet?
    Er hatte längst eine neue aus dem Boden gestampft, blutjunge Kerle, die sich gestern genauso begeistert und bereitwillig in den Tod gestürzt hatten wie einst die Männer, deren Knochen nun in den Weiten Russlands moderten. Und morgen würden sie es wieder tun, wenn er vor ihnen nur ein paar anfeuernde Worte sprach.
    Sogar vom Tode Gezeichnete hatten ihm gestern noch ein euphorisches »Vive l’Empereur!« zugerufen, bevor sie ihr erbärmliches Leben aushauchten.
    Diesem Blücher und dem Zaren, die glaubten,
ihn
zu einer Schlacht herausfordern zu können, hatte er gezeigt, wer der wahre Herrscher über Europa war. Für ihre Dreistigkeit mussten sie mit vielen tausend Toten zahlen. Dass seine eigenen Verluste noch höher waren, er gestern fast ein Viertel seiner Männer eingebüßt hatte, daran verschwendete der Imperator keinen Gedanken.
    Natürlich wusste er, dass ihm gefälschte Zahlen über eigene und gegnerische Verluste vorgelegt wurden und jedes Mal, wenn er das Schlachtfeld nach dem Kampf abschritt, seine Adjutanten zuverlässig dafür gesorgt hatten, dass die Toten der eigenen Seite begraben und die Verwundeten fortgeschafft worden waren. So sah er nur tote und verletzte Feinde und konnte sich die Großzügigkeit erlauben, gelegentlich einen blessierten Gegner in eines seiner Lazarette schaffen zu lassen.
    Vorgestern, als bei einem Geplänkel in Rippach sein Marschall Bessières fiel, einer seiner engsten Vertrauten, wurde der Leichnam mit einem Tuch umhüllt, damit niemand den hochrangigen Toten erkannte und die Moral der Truppen nicht litt.
    Doch gestern hatte er der Welt erneut bewiesen, dass ihm ein Platz unter den größten Feldherren der Geschichte zustand. Die gestrige Schlacht schien ihm heute noch bedeutender als Jena, Austerlitz oder Borodino.
    Weil der Kriegsschauplatz – jene vier Dörfer namens Großgörschen, Kleingörschen, Kaja und Rahna – so nah bei Lützen lag, wo einst der große König Gustav Adolf im Kampf gegen Wallenstein fiel, würde auf seinen Befehl auch diese Schlacht als Schlacht von Lützen in die Geschichte eingehen.
    Der Kaiser verschränkte die Arme hinter dem Rücken, stapfte zum Eingang des Stabszeltes, warf einen Blick nach draußen, wo unzählige Wachtfeuer loderten, dann drehte er sich jäh um. Sofort nahmen die hochdekorierten Männer Haltung an.
    »Briefe! Es sind Depeschen zu schicken!«, verkündete er und winkte einen jungen Mann ans Schreibpult, der besonders flink dabei war, seine schnell diktierten Anweisungen in Kurzchiffre zu notieren.
    »An den sächsischen König. Informieren Sie ihn über unseren großen Sieg bei Lützen. Und er möge sich gefälligst umgehend in Dresden einfinden. Schluss mit der Versteckspielerei! Wenn er nicht mitsamt seiner Familie sofort

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