1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
endlich auf unsere Seite übertreten?«, meinte er. »Allet jut und schön. Aber schonen Sie sich lieber erst noch ein paar Tage! Sagt doch sicher auch der Arzt.«
»Ja, das sagt er, aber Wien ist wichtiger!«, beharrte Scharnhorst und versuchte, die Sache zu verharmlosen. »Da werden sie wohl Kaffee haben.«
Rasch wurde sein Gesicht wieder ernst. »Hoffen wir, dass Thielmann die Festung Torgau noch so lange neutral hält oder sogar zu uns übertritt. Davon hängt nun alles ab.«
Ein schmales Lächeln huschte über sein müdes Gesicht.
»Wie dieser sächsische General im März Davout die Stirn geboten hat, das war schon tollkühn! Einem Marschall samt zwei Bataillonen, noch dazu dem unerbittlichsten unter Bonapartes Getreuen, dem Sieger von Auerstedt, den Zutritt zur Festung zu verweigern und ihm mit Kanonenfeuer zu drohen – alle Achtung! Ich hätte nicht gedacht, dass ein Sachse so viel Mut aufbringt. Aber ob Thielmann das durchhalten kann nach dem gestern hier …«
Vage wies er mit dem Kopf in die Richtung, wo sie am Vortag das Schlachtfeld räumen mussten.
Blücher war jedoch in Gedanken ganz woanders: bei seiner Sorge um den Freund, der mit einem durchschossenen Bein auf eine so weite Reise gehen wollte. Bekümmert sah er auf den geschätzten Kampfgefährten.
»Nehm’ Se sich in Acht!«, wiederholte er eindringlich. »Lieber noch ’ne Schlacht verlieren als Ihnen!«
»Keine Sorge«, beruhigte ihn Scharnhorst. » Prinz Eugen von Württemberg und die Brigade Steinmetz sollen den Rückzug unserer Truppen auf Dresden und Meißen decken, das sind tüchtige Männer – die besten!«
Das Schlachtfeld
Großgörschen, 3 . Mai 1813
I n seinem hellgrauen Mantel, die Hände auf dem Rücken verschränkt, stapfte Napoleon Bonaparte über das schlammige Gelände, auf dem gestern noch bis in die Dunkelheit hinein der Kampf getobt hatte.
Die Grande Armée hatte seinem Befehl gemäß direkt auf dem Schlachtfeld übernachtet – hauptsächlich, weil er mit einem erneuten Angriff der Preußen und Russen rechnete, aber auch, um zu demonstrieren, dass seine Streitmacht das hart umkämpfte Gebiet erobert
und
behauptet hatte. Auch wenn es letztlich nur ein paar Dörfer waren, deren Namen sich nicht aussprechen ließen, kaum mehr als ein paar Dutzend Gehöfte, die inzwischen fast alle niedergebrannt waren.
Er selbst hatte in seinem Stabsquartier im nahe gelegenen Lützen übernachtet und war nach dem Frühstück hierhergeritten.
Die Preußen hatten ihn überrascht und herausgefordert.
Ihm
eine Schlacht anzubieten,
ihm
Ort und Zeit des Kampfes vorzugeben – das war wirklich dreist! Offensichtlich hatten sie gelernt. Und zwar von ihm. Das waren nicht mehr die hoffnungslos überalterten und schlecht ausgerüsteten Truppen der friderizianischen Armee von 1806 , die er bei Jena und Davout bei Auerstedt in Scharen davonrennen sah.
Nein, die Preußen waren nicht wiederzuerkennen und hätten ihn gestern beinahe tatsächlich das Fürchten gelehrt!
Er hatte sich schon auf dem Weg nach Leipzig befunden, wo er seine gesamte Armee vereinigen und gegen die Flanke der Gegner vorstoßen wollte. Der Vorort Markranstädt war fast erreicht, als er plötzlich Kanonendonner weit
hinter
sich hörte – dort, wo die Nachhut stand, das Dritte Korps von Marschall Ney . Also ließ er seine Kolonnen umkehren.
Es wurde eine blutige Schlacht für beide Seiten. Um jedes einzelne Haus wurde erbittert gekämpft, manche Gehöfte wechselten stündlich die Besitzer. Irgendwann im Verlauf des Nachmittags fürchtete er schon, verloren zu haben. Alles verloren zu haben. Die triumphale Auferstehung seiner Armee nach ihrer fast völligen Vernichtung in Russland, seine erste große Schlacht, nachdem er wieder den Main überquert hatte … Die durfte er einfach nicht verlieren! Das wäre das Ende gewesen!
Also ließ er, als alles schon aussichtslos schien, eine gewaltige Batterie aus fast achtzig Geschützen auffahren und alles vor sich zusammenschießen. Dies und seine Garden wendeten das Schicksal doch noch zu seinen Gunsten. Sogar ein nächtlicher Gegenangriff der feindlichen Reiterei, bei dem er beinahe selbst in Bedrängnis geraten wäre, verlief folgenlos.
Und jetzt glaubte er seinen Augen nicht zu trauen.
Das Feld war leer, abgesehen von den Toten, den Pferdekadavern, den Tross- und Geschützwagen und den Biwaks seiner Männer! Und obwohl die Sonne immer höher stieg, war von feindlichen Truppen weder etwas zu sehen noch zu hören.
»Sie sind
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