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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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dauern.«
    Felix wollte unbedingt weiter. Alles an den Truppenansammlungen dort draußen deutete auf einen bald beginnenden Kampf hin. Doch Jette wirkte so blass und erschöpft, dass er ihr vor der letzten großen Marschstrecke eine kurze Rast gönnen musste. Von hier waren es zu Fuß noch zwei Wegstunden bis nach Leipzig; ein eisiger Wind fegte über das flache Land, und der Regen der letzten Tage hatte die Wege in Morast verwandelt. Darum nahm er das Angebot der Bäuerin dankbar an.
    Das war ein Fehler.
    Gerade als sie aufbrechen wollten, erschütterten drei Kanonenschüsse das Dorf und versetzten die Liebertwolkwitzer in Panik.
    Die französischen Soldaten und Offiziere, die am Vortag in gewaltiger Zahl in den Ort geflutet waren, sammelten sich sofort, um gegen die Angreifer vorzugehen.
    Nun erkannte auch der Letzte der Dorfbewohner, die erschrocken aus ihren Häusern gerannt kamen: Gleich wurde ihr Heimatort zum Schauplatz eines mörderischen Kampfes. Die Kanonenkugeln waren ganz aus der Nähe abgeschossen, und sie galten Liebertwolkwitz.
    Also rannten sie in die Kirche, die Kinder auf dem Arm oder an der Hand, mit so viel von ihrer Habe beladen, wie sie auf die Schnelle greifen konnten. Nur wenige versteckten sich lieber in den Kellern ihrer Häuser. Niemand wusste, wer da angriff, aber eines war gewiss: Es würde schrecklich werden.
    Seitdem saßen die Menschen im Kirchenschiff in kleinen Gruppen verängstigt beieinander. Manche redeten leise miteinander Belangloses, um sich von ihrer Furcht abzulenken, andere hielten die Augen geschlossen und beteten oder wiegten sich hin und her. Ein alter Mann kniete mit gefalteten Händen vorm Altar und flüsterte in monotonem Singsang.
    Jette hatte etwas Zwieback gegessen und fühlte sich wieder besser. Die Kinder fanden es bald langweilig, in der Kirche eingesperrt zu sein. Die Kleineren weinten, die Größeren rannten herum, eine Gruppe Mädchen spielte vor einem Fenster mit Murmeln und warf die Kügelchen gegen den steinernen Sockel des Kirchenschiffes. Das metallisch klickende Geräusch verriet: Sie spielten nicht mit Murmeln aus Ton, sondern mit Gewehrkugeln.
    Jette stand auf und ging zu ihnen hinüber. »Kommt besser von den Fenstern weg! Hier kann es gefährlich werden.«
    Zwei Mädchen mit blonden Zöpfen, vielleicht fünf und sechs Jahre alt, wollten nicht gehorchen. Da setzte draußen heftiges Kanonen- und Gewehrfeuer ein. Die Dorfbewohner schrien angstvoll auf. Jette nahm die Mädchen bei den Armen und schob sie hastig in das Innere der Kirche.
    Sie waren kaum fünf Schritte entfernt, als das Fenster krachend in tausend Splitter zerbarst, eine Kanonenkugel hereinflog, auf den Boden schlug und weiterrollte.
    »Nicht berühren!«, schrie Felix. »In Deckung!«
    Uneingeweihte unterschätzten die Zerstörungskraft, die in einer noch rollenden Kugel steckte. Sie konnte ohne weiteres einen Fuß oder ein Bein abreißen. Und wenn sie mit Pulver gefüllt war, konnte sie explodieren.
    Jette riss die Mädchen zu Boden und warf sich über sie. Auch die Dorfbewohner ließen sich erschrocken fallen. Jedermann hielt ängstlich den Atem an, bis die Kugel endlich stillstand und nichts weiter geschah. Glück im Unglück: Das Geschoss war vollkommen aus Eisen.
    Vorsichtig richtete sich Jette auf. Sie schüttelte Glassplitter vom Mantel und fragte: »Seid ihr verletzt?«
    Stumm vor Schreck rappelten sich die Mädchen wieder auf. Sie schienen nur ein paar blaue Flecken davongetragen zu haben.
    Die Mutter der Kinder – jene Bäuerin, von der sie am Morgen Brot und Milch bekommen hatten – stürzte Henriette entgegen und griff nach ihren Händen.
    »Die Engel müssen Sie geschickt haben! Ohne Sie wären meine Mädchen jetzt tot! Gott segne Sie!« Schluchzend und bebend umarmte sie Jette und ihre Töchter, alle drei auf einmal.
    Jetzt wurde die Kanonade des Dorfes erst richtig heftig. Die Einschüsse folgten so nah und dicht hintereinander, dass die meisten der Schutzsuchenden zu schreien begannen.
    Zwischen dem Aufschlagen der großen Geschosse hörten sie ganz nah heftige Gewehrsalven; in präzisem Gleichklang und aus Hunderten Gewehren gleichzeitig, wie Felix schätzte. Gleich würde der Ort gestürmt werden.
    »Alle in die Mitte des Kirchenschiffs, rasch!«, rief er.
    Als hätte Felix es geahnt, flogen gleich darauf die nächsten Kanonenkugeln durch die Fenster, zwei weitere zertrümmerten die hölzerne Kirchentür. Auf das Splittern von Glas und Bersten von Holz folgten erneut

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