1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
Preußen in Freiberg, der Kaiser von Österreich in Marienberg, die böhmische Armee war im Anmarsch auf Leipzig. Eine Vorhut unter dem Kommando des Generals von Wittgenstein sollte die Stellungen des Feindes erkunden.
Während das Korps von General Klenau, dem Freiherrn von Jannowitz, den ersten Angriff gegen Liebertwolkwitz führte, forderte General Pahlen wegen der großen Zahl feindlicher Reiter die preußische Reservekavallerie an. Bald wurden von beiden Seiten immer mehr und mehr Truppen in den Kampf geworfen, die Eugens von Württemberg , die des Prinzen Gortschakow, die Reservekavallerie von General Kleist …
Was ursprünglich nur als Erkundung gedacht war, entwickelte sich im Verlauf des Tages zu einem Reitergefecht mit fünfzehntausend Kämpfern zu Pferde, wie es in diesem Krieg noch keines gegeben hatte.
Napoleon erreichte Leipzig gegen Mittag, verzichtete darauf, die Stadt zu betreten, und zog über die Promenaden gleich wieder durchs äußere Grimmaische Tor hinaus zu einem Aussichtspunkt im Süden, von dem aus er den Einsatz seiner Truppen kommandieren konnte.
Da saß er nahe dem Hochgericht auf seinem Feldstuhl, umgeben von seiner Alten Garde, nahm in rascher Folge Depeschen entgegen, die Berthier ihm reichte, und erteilte ebenso rasch Befehle; auf dem Tisch vor sich die berühmte Karte, wo Nadeln die Positionen der Gegner markierten, neben sich ein Feuer gegen die Kälte des Herbsttages.
In gar nicht großem Abstand standen etliche Leipziger, unter ihnen der aufmerksame Chronist Ludwig Hußel, und beobachteten ihn dabei.
Mochte es noch so kalt und windig sein – hier sahen sie nicht nur den Kaiser aus nächster Nähe, hier sahen sie ihn aus nächster Nähe
bei der Arbeit!
Den größten Feldherrn seiner Zeit eine Schlacht lenkend!
Was enttäuschend unspektakulär ablief. Kein Vergleich etwa zu Hannibal, der mit Elefanten die Alpen überquert hatte. Was andererseits bei näherer Betrachtung gewiss auch nicht so glorreich ausgesehen haben konnte, wenn man sich die Lebensgewohnheiten der Elefanten und das Klima in den Alpen ins Gedächtnis rief.
Doch der Kaiser ritt nicht einmal auf seinem Schimmel vor seinen Truppen auf und ab und hielt anfeuernde Reden!
Er saß einfach an seinem Kartentisch, sichtlich gut gelaunt, aß ein paar Bissen, nahm ab und an eine Prise aus seiner Schnupftabakdose, bis sie leer war, stand manchmal kurz auf, um sich die Hände am Wachtfeuer zu wärmen – aha, ein Kaiser konnte also auch frieren! Aber er ignorierte die neugierigen Blicke der Leipziger.
Einer der Zuschauer, der Schriftsteller und Musiker Friedrich Rochlitz, bemerkte dabei etwas, das er nie mehr vergessen sollte. Mehrfach passierten erbarmungswürdige Gruppen von schrecklich Verwundeten das Blickfeld des Kaisers, die in die Stadt gebracht wurden. Er
konnte
sie gar nicht übersehen, doch sie waren ihm keines Blickes und keines Wortes wert.
Seine verwundeten Soldaten sind ihm vollkommen gleichgültig, erkannte Rochlitz erschüttert.
Gegen drei Uhr kam Bewegung in die Szenerie. In Begleitung ihrer Garden und polnischer Lanzenreiter traf die königliche Familie aus Eilenburg ein.
Der Kaiser schritt ihnen entgegen, begrüßte die Königin in der Kutsche und den König, der zu Pferd kam, nun absaß und sich umarmen ließ. Ihn ermahnte er erneut streng zur Bündnistreue. Sachsen werde doch nicht dem Beispiel der verräterischen Bayern folgen, die die Seiten gewechselt und ihm ausgerechnet heute den Krieg erklärt hatten?
Friedrich August verneinte entschieden.
Was sollte er auch sonst? Der König von Bayern hatte es gut, sein Land war nicht von hungrigen und plündernden französischen Truppen überflutet, und weder München noch Augsburg oder Regensburg würden morgen oder übermorgen Zentrum einer gewaltigen Schlacht werden!
Nur unerschütterliche Treue zu Napoleon und Vertrauen auf seinen Sieg konnten jetzt noch Leipzig vor der Zerstörung bewahren.
»Wir werden gewinnen!«, versprach Bonaparte der Königin mit siegessicherem Lächeln. Dann zog die Königsfamilie weiter, um wie üblich Logis im Apelschen Haus am Leipziger Markt zu nehmen.
Gegen vier Uhr nachmittags galoppierte ein Stabsadjutant heran, erstattete Bericht, und sofort wurde Alarm geschlagen. Die Garden marschierten ab, der Kaiser folgte ihnen zu Pferde.
Nun sah Ludwig Hußel unendliche Mengen weiterer Gardeabteilungen mit einer gewaltigen Zahl von Geschützen heranrücken. Da glaubte er die Alliierten schon verloren. Doch dann ritt
Weitere Kostenlose Bücher