1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
Ebenen um Leipzig eigneten sich vorzüglich für Kavallerieangriffe, auch wenn sein Schwager gestern recht verschwenderisch mit den wertvollen Reiterkontingenten umgegangen war.
Es war immer dasselbe mit ihm: So mutig Joachim Murat auch war und sich selbst in jeden Kampf stürzte, so unbesonnen und verschwenderisch setzte er seine Truppen ein. Jeder General mit einer guten Kavallerie sah zu, diese möglichst außer Sicht- und Reichweite des Königs von Neapel zu halten.
Doch das Beste an dem Gelände, das er, Napoleon Bonaparte, zum Schlachtfeld für den entscheidenden Kampf ausgewählt hatte: Drei Flüsse – Pleiße, Elster und Parthe – sicherten die Flanken seiner Armee. Wollte sich der Gegner von Südwesten nähern, geriet er in ein kaum zu durchdringendes Gebiet von Sümpfen, Gräben und durch tagelangen Regen angeschwollenen Wasserläufen.
Einzig beunruhigend war, dass er immer noch nicht genau wusste, welche der gegnerischen Armeen nun von wo im Anmarsch waren. Aber das würde sich bald zeigen. Hatte Joachim Murat wirklich schon mit der Hauptarmee gekämpft oder wieder nur einmal maßlos übertrieben? Blüchers Schlesische Armee war mit Sicherheit noch zu weit weg, um morgen schon ins Kampfgeschehen einzugreifen.
Das Problem, bei der derzeitigen Disposition nur eine einzige Rückzugsstraße zu haben, konnte er vernachlässigen. Über Rückzug musste er sich nun wirklich keine Gedanken machen. Er hielt mit seiner Armee alle strategisch günstigen Positionen, er persönlich würde die Schlacht leiten. Also war Rückzug absolut keine erwägenswerte Option.
Deutlich weniger entschlossen ging es in den Kommandostellen der Alliierten zu.
Da die Befehlshaber der einzelnen Armeen und die Monarchen noch an ganz verschiedenen Orten über das Land verteilt logierten, fand die entscheidende Besprechung zum Kriegsplan am Morgen in Pegau statt, wo Zar Alexander und sein Stab sowie der Oberbefehlshaber Fürst von Schwarzenberg wohnten – in getrennten Häusern, versteht sich.
Schwarzenberg hatte zusammen mit dem jungen General von Langenau, der im Mai aus den Diensten des sächsischen Königs geschieden war und seitdem in der österreichischen Armee diente, einen Plan ausgearbeitet. Doch der wurde vom Zaren und dessen Begleitern – Fürst Wolkonsky sowie Barclay de Tolly, Diebitsch und Jomini – energisch zurückgewiesen. Man könne nicht durch ein Gebiet vorrücken, das von Flussläufen zerteilt sei, beanstandeten die russischen Generäle.
»Langenau ist Sachse, er kennt sich hier aus«, hielt Schwarzenberg dagegen.
»Offenbar nicht!«, widersprach Jomini zynisch. »Dort« – er tippte auf das von Elster und Pleiße begrenzte Dreieck südlich von Leipzig – »ist Sumpf, ist Buschwerk, sind vom Regen angeschwollene Flussläufe, dort können Euer Exzellenz nie und nimmer Kavallerie einsetzen!«
Der Schweizer erkannte die Absichten des ehrgeizigen Langenau hinter diesem Plan: Den erfolgversprechendsten Angriff sollten die Österreicher führen, um als die Helden in die Geschichte einzugehen, während an den riskanteren Positionen gemischte Truppen eingesetzt wurden. Von dem Sumpfgebiet wusste Langenau offenbar gar nichts. Doch Jomini kannte es aus eigener Anschauung.
Es ging eine Weile hin und her, erst bemüht höflich, dann immer leidenschaftlicher, bis schließlich Zar Alexander verkündete: Der Herr Feldmarschall könne ja mit seinen österreichischen Truppen machen, was er wolle; er jedenfalls, der Zar, werde die seinigen gegen das rechte Pleißeufer führen.
Das sei doch ein passabler Kompromiss, erklärte der Fürst von Schwarzenberg mit etwas gezwungenem Lächeln und beendete die Besprechung, um eine neue Disposition für den nächsten Tag zu entwerfen, die am Abend aber ebenfalls abgelehnt werden würde.
Unterdessen näherten sich immer mehr alliierte Truppen Leipzig – alle bis auf die Armee des schwedischen Kronprinzen, der erst auf Halle zumarschierte, dann aber zwischen Zörbig und Wettin biwakieren ließ.
Wieder ein Abschied
Leipzig, 15 . Oktober 1813
J ette erwachte durch leise Stimmen aus dem vorderen Zimmer, richtete sich auf und wusste im ersten Augenblick nicht, wo sie war. Dann fiel ihr alles wieder ein. Gestern tief in der Nacht hatten sie es doch noch in die Stadt geschafft. Felix führte sie geradewegs zum Neumarkt, wo Greta und Hermann in einer winzigen Dachwohnung lebten. Natürlich war die Haustür angesichts der späten Stunde und der unsicheren Verhältnisse versperrt,
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