1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
ihrem Leib wühlten nach wie vor diese krampfartigen Schmerzen, und sie fragte sich erneut, ob sie darüber beruhigt oder besorgt sein sollte.
»Fühlst du dich besser?«, erkundigte sich Felix besorgt.
»Ja«, versicherte sie ihm, ohne ihn anzusehen. Er sollte nicht gehen!
Brav aß sie Löffel für Löffel und trank den heißen Kräutertee, den Greta ihr einschenkte.
Eine Weile herrschte Stille in der kleinen Küche.
Als Jette aufgegessen hatte, erhob sich Felix.
»Ich werde jetzt aufbrechen und mich bei meiner Eskadron zurückmelden. Gott schütze euch! Danke für eure Hilfe, Greta. Und du, Jette … gib auf dich acht! Greta und Hermann werden dir helfen. Lebe wohl!«
Mit zittrigen Knien stand Henriette auf. »Ich sage
nicht
Lebewohl! Das ist so … endgültig. Das bringt Unglück. Passen Sie auf sich auf, Felix!«
Überrascht und gekränkt sah er sie an.
»Sie?«
Er schnappte nach Luft. »Das Du unterwegs war also immer nur zur Täuschung für die anderen, und jetzt stehen wir einander wieder als Fremde gegenüber? Werde ich mit einem
Sie
weggeschickt?«
»Nein, so ist das nicht gemeint!«, rief Henriette verzweifelt. »Doch wenn ich Sie mit einem Du wegschicke, dann müsste ich Sie auch umarmen wie einen Bruder, und dann würde ich weinen … und das macht alles nur noch schwerer …«
Felix lächelte. Traurig, doch ein wenig versöhnt. Er trat einen Schritt auf sie zu und wischte ihr mit dem Daumen seiner verstümmelten Hand sanft die Tränen aus den Augenwinkeln. Zu seiner unendlichen Freude und Erleichterung wich sie nicht zurück.
»Noch lebe ich. Und falls du nicht hierbleiben kannst, hinterlass mir unbedingt eine Nachricht, wo ich dich finde, wenn alles vorbei ist!«
Er verabschiedete sich von Greta, strich Paul übers Haar, dann schloss er die Tür hinter sich.
Es würde nicht schwer sein, auf preußische Truppen zu stoßen. Entweder würde man ihn dort zu seinem Kommandeur schicken oder einer anderen Einheit zuweisen. Hauptsache, er konnte etwas tun.
Henriette sollte nicht um ihn weinen. Aber dass sie es eben schon fast getan hatte, stimmte ihn geradezu fröhlich.
Als Felix fort war, fiel Jette Greta um den Hals und fing erbärmlich an zu schluchzen.
Das Kind in Gretas Leib beschwerte sich gegen den sanften Druck des fremden Körpers und stieß mit einem Bein kräftig gegen die Bauchdecke seiner Mutter, so stark, dass Jette es auch spürte. Verblüfft trat sie einen halben Schritt zurück, starrte die werdende Mutter an, und dann mussten beide Frauen lachen, Jette unter Tränen.
»Hier, willst du mal fühlen?«, ermunterte Greta sie, nahm Jettes Hand und legte sie auf ihren kugelrunden Bauch.
Staunend und ehrfürchtig nahm Jette die Lebenszeichen des noch Ungeborenen wahr. »Was denkst du: Junge oder Mädchen?«
»Geb Gott, dass es ein Mädchen wird!«, sagte Greta ganz entschieden. »Ich will es nicht auch einmal in den Krieg schicken müssen.«
Schon flossen von neuem Tränen bei Jette.
»Felix ist ein guter Kerl. Vielleicht kommt er ja durch«, sagte Hermanns Frau leise. »Sie können doch nicht alle sterben, wenn morgen die große Schlacht beginnt …«
Es klopfte. »Ich bin es, die alte Wächtlerin«, klang eine rauhe Frauenstimme.
»Es ist offen, kommen Sie herein!«, rief Greta, die noch nicht dazu gekommen war, die Tür nach Felix’ Fortgang abzuschließen.
Eine stämmige Frau mit grauem Haar unter der Haube und einem großen Henkelkorb trat ein und richtete den Blick sofort auf Gretas Bauch.
»Ich will zu den Anschützens nebenan, weil ihr Kleiner kränkelt, und bei der Gelegenheit dachte ich mir, kurz bei dir vorbeizuschauen. Aber wie ich sehe, bleibt dir noch Zeit. Das Kind hat sich ja noch nicht einmal richtig gesenkt …«
»Möchten Sie etwas Tee, Frau Wächtler? Minze und Fenchel, haben Paul und ich selbst gesammelt.«
»Gern, mein Kind.« Die Alte ließ sich auf einen Stuhl sinken, der dabei bedenklich knarrte. Dann musterte sie Jette aufmerksam. »Und was ist mit dir? Da ist wohl auch was unterwegs? Na ja, geht mich ja nichts an«, sagte sie, als Jette betroffen schwieg.
»Der Herr Anschütz ist Musiklehrer und komponiert wunderbare Lieder«, sprang Greta ein, ohne sich etwas von ihrer Überraschung anmerken zu lassen. Die alte Wehfrau hatte einen Blick für so etwas, sie irrte sich nie. Aber darüber würde sie nachher mit Henriette allein sprechen. Sofern die dazu bereit war. Deshalb plauderte sie weiter: »Seine Frau Amalie – er nennt sie nur Molly,
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